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Glaukom: Dollarzeichen im Auge

Wer in eine Augenpraxis geht, bekommt regelmäßig eine Glaukom-Vorsorge angeboten, die er selbst zahlen soll. Ist das sinnvoll? Und: Dürfen Arzt oder Ärztin Selbstzahlerleistungen aufdrängen?

Augenärztin untersucht ältere Dame
Stand: 20.10.2022

Stellen Sie sich vor, Sie gehen zum Augenarzt, um Ihre Sehschärfe bestimmen zu lassen. Schon beim Empfang wird Ihnen von der Fachkraft am Tresen ein Informationsblatt ausgehändigt, das Sie über eine empfohlene Untersuchung informiert – die Glaukom-Früherkennung, die von den Krankenkassen in den meisten Fällen nicht bezahlt wird. Auf der Rückseite sollen Sie mit Ihrer Unterschrift gleich Ihr Einverständnis erklären, diese Untersuchung selbst zu bezahlen.

Doch Sie wollen das nicht, schon gar nicht, bevor Sie den Arzt überhaupt zu Gesicht bekommen haben. Daraufhin werden Sie von der Sprechstundenhilfe aufgefordert, zu unterschreiben, dass Sie auf diese Untersuchung verzichten. Dafür ist extra ein Feld zum Ankreuzen vorgesehen.

Sie stutzen: Wozu eine Unterschrift, wenn Sie die Untersuchung doch gar nicht wollen? „Aus rechtlichen Gründen“, antwortet die Fachkraft. „Für den Fall, dass jemand später den Arzt dafür haftbar machen will, dass er den Hinweis auf diese Untersuchung vergessen hat, lassen wir uns das unterschreiben.“ Doch wäre diese Untersuchung medizinisch notwendig, würde sie dann nicht von der Krankenkasse bezahlt? Vielleicht geht Ihre Phantasie mit Ihnen durch: Muss ich jetzt auch unterschreiben, dass ich mich auf eigene Verantwortung weigere, meine Falten wegspritzen oder meine Brust vergrößern zu lassen? Wo führt das hin, wenn ich ab jetzt auch alles, was ich nicht will, unterschreiben muss?

Der Augenarzt kann Ihnen auch nicht genauer erklären, welche rechtlichen Gründe zwingend für diese Unterschrift sprechen – sein Berufsverband habe ihm das Abfordern einer Unterschrift aus rechtlichen Gründen empfohlen. Aber er erzählt Ihnen ausführlich, warum die Untersuchung medizinisch sinnvoll ist.

Sie wenden sich schriftlich an den Berufsverband der Augenärzte. Die erste Antwort bleibt ebenso unklar wie die des Arztes: Von „forensischen Gründen" ist die Rede und dann wieder von den medizinischen Gründen, von der Gefährlichkeit des Glaukoms oder Grünen Stars, der sich lange unerkannt entwickle, aber von verantwortungsvollen Augenärzten durch eine rechtzeitige „Vorsorgeuntersuchung“ vermieden werden könne.

Sie fragen beim Verband noch einmal nach: Ist schon mal ein Augenarzt verurteilt worden, weil er einen Patienten oder eine Patientin nicht über die Gefahr eines unerkannten Glaukoms und die Möglichkeit der Rettung durch rechtzeitige Früherkennungs-Untersuchung aufgeklärt hat? Die Antwort des Verbandsvorsitzenden fällt nun eindeutig aus: „Glücklicherweise kann ich Ihnen keinen gerichtsrelevanten Fall nennen, der sich auf eine mangelnde Aufklärung bezieht.“ Die „forensischen“ (übersetzt: gerichtlichen) Gründe sind also gar nicht vorhanden, sondern nur vorgeschoben. In Wirklichkeit wird damit psychischer Druck aufgebaut. Betroffene denken, diese Untersuchung sei Standard, vielleicht sogar Pflicht, und eine Weigerung etwas ganz Ungewöhnliches, vielleicht sogar Gefährliches.

Dürfen Ärzte und Ärztinnen zu Selbstzahlerleistungen raten?

Solche Verkaufsmethoden erwarten Patientinnen und Patienten in einer Arztpraxis nicht. Gerade für gesetzliche Versicherte sind sie gefährlich, denn die wollen beim Arzt „Sachleistungen“, die direkt mit ihrer Krankenkasse abgerechnet werden. Sie suchen Vertrauen – und möchten sich nicht abgrenzen und schützen müssen vor Verkaufspersonal, das sie zu etwas überreden will.

Zudem ist es Ärztinnen und Ärzten nach der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) ausdrücklich verboten, Patientinnen und Patienten zu medizinisch nicht notwendigen Privatbehandlungen zu drängen. Dort heißt es in § 1 Abs. 2, Satz 2 ausdrücklich:

„Leistungen, die über das Maß einer medizinisch notwendigen ärztlichen Versorgung hinausgehen, darf er [der Arzt] nur berechnen, wenn sie auf Verlangen des Zahlungspflichtigen erbracht worden sind.“

Wie sinnvoll ist die Glaukom-Früherkennung?

Natürlich kann es sein, dass die Augenärzte und -ärztinnen Recht haben mit ihrer Meinung, die Glaukom-Früherkennungs-Untersuchung sei eigentlich ganz wichtig und es sei medizinisch gesehen fahrlässig, sie nicht ab dem 40. Lebensjahr regelmäßig durchführen zu lassen. Das wäre jedoch eine medizinische Begründung, keine forensische.

Dem entgegen steht aber, dass beispielsweise der IGeL-Monitor, welcher Bewertungen von IGeL-Leistungen vornimmt, die Augenspiegelung mit Augeninnendruckmessung, die HRT, die OTC sowie die Augeninnendruckmessung zur Glaukom-Früherkennung sogar mit „tendenziell negativ“ bewertet – eben wegen der fehlenden Studien zu deren Nutzen.

Unser Rat

  1. Fragen Sie Ihren Augenarzt, welchen individuellen Nutzen eine Glaukom-Früherkennung für Sie hat.
  2. Erkundigen Sie sich auch, ob bei Ihnen ein konkreter Verdacht besteht oder ein oder mehrere Risikofaktoren vorliegen – dann übernimmt nämlich die gesetzliche Krankenkasse die Kosten.
  3. Wenn Sie keine IGeL zur Glaukom-Früherkennung wünschen, müssen Sie dies nicht schriftlich bestätigen.
  4. Weisen Sie Ihren Augenarzt bzw. Ihre Augenärztin darauf hin, dass sie über die Kassenärztliche Bundesvereinigung jederzeit die Möglichkeit haben, im Gemeinsamen Bundesausschuss die Aufnahme der Glaukom-Untersuchung in den Leistungskatalog der Krankenkassen zu beantragen.

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