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Lorraine: Willkommen in der schönen Model-Welt!

Ein bisschen modeln, das klingt für viele Menschen spannend und glamourös, daher unterschreiben viele immer wieder Verträge für Foto-Chiffreanzeigen mit der Lorraine Media GmbH. Wollen sie den Auftrag für die Casting-Plattform Modelsweek widerrufen, so soll das nicht möglich sein. Wir sehen das anders.

Model mit langen Haaren und Glitzerhintergrund

Das Wichtigste in Kürze

  1. Beim Casting der Lorraine Media GmbH ist Vorsicht geboten.
  2. Vor dem ersten eigenen Verdienst sollen potenzielle Models erst einmal für Foto-Chiffreanzeigen zahlen.
  3. Lorraine Media verweigert den Widerruf des Anzeigenauftrags.
Stand: 17.11.2022

Den monatlichen Verdienst durch kleine Einsätze als Komparse oder das Taschengeld durch Jobs als Model aufbessern? Das klingt verlockend. Daher reagieren immer wieder Verbraucherinnen und Verbraucher auf die Einladung der Lorraine Media GmbH zum vermeintlich kostenlosen Casting, das in Hotels stattfindet. Doch beim Termin vor Ort kommt dann die teure Überraschung.

Rein in den Anzeigenvertrag

Bevor Fotoaufnahmen der Casting-Teilnehmer gemacht werden, sollen diese einen Werbe- und Anzeigenauftrag für die Veröffentlichung einer Foto-Chiffreanzeige in der Internetzeitung „Modelsweek“ mit einer Mindestlaufzeit von einem Jahr unterschreiben.

Das Motto von Models Week: „Wer sich nicht zeigt, wird nicht gesehen.“ Angehende Models sollen auf dem Portal von Agenturen, Modelscouts oder Fotografen entdeckt werden können. Kostenpunkt: zwischen 298 Euro und 498 Euro. Ganz schön viel Geld dafür, dass man ja eigentlich selbst etwas dazu verdienen wollte, finden wir.

Dennoch unterzeichnen viele den Vertrag, Die Gründe sind vielfältig. Teilweise erfolgte die Unterschrift, weil sie sich zur Eile angetrieben fühlten oder ihre Kinder, die von einem Auftritt als Model träumen, nicht enttäuschen wollen oder weil sie sich einfach so darüber gefreut haben, von einer Agentur angenommen zu werden.

Beispiele

Frau S. schreibt im April 2018: „Zudem wurde ich angehalten, auf einem Formular drei Mal zu unterschreiben, ohne über dessen Inhalt informiert worden zu sein. Dies habe ich gemacht, um den Prozess nicht unnötig zu verlängern und um meine Tochter nicht zu enttäuschen. Da es sowohl im Warteraum (TV mit Rockkonzert) als auch im „Besprechungsraum“ (...) sehr laut zu und her ging, wurde mir sehr unwohl, was mich zur Eile antrieb (...)“.

Frau F. schildert uns im Juni 2018 Folgendes: „Ein Scoutberater sagte zu meiner Tochter, sie hätte großes Potenzial und würde sofort Aufträge bekommen. Dann fing er an, mir zu erklären, dass das Ganze auch Geld kosten würde. (...) Ich war skeptisch. (...) Nun fing mein Kind an zu weinen, ich wurde weich. Er sagte, das könnte ich von den Steuern absetzen. (...) ich unterschrieb.

Herr K. teilte uns im Juli 2018 mit: „Ich hatte, unter dem Druck des Beraters und der Euphorie von einer Agentur in Auftrag genommen zu werden, verschiedene Papiere unterschrieben.“

Nicht wieder raus aus dem Vertrag

Zu Hause lassen sich viele die Sache noch einmal durch den Kopf gehen, entscheiden sich gegen den Vertrag und widerrufen diesen innerhalb von 14 Tagen. Damit sollte die Angelegenheit eigentlich erledigt sein, will man meinen. Ist sie aber nicht!

Uns liegen Schreiben aus dem Jahr 2018 vor, in denen Verbraucherinnen und Verbrauchern – nachdem sie ihren fristgerechten Widerruf erklärt hatten – die Kündigung zum Ablauf des nächsten (!) Jahres bestätigt wurde. Außerdem führt die Lorraine Media GmbH in diesen Schreiben aus: „Für den Anzeigenauftrag besteht nach einschlägigen gesetzlichen Vorschriften kein Widerrufsrecht.“

Kein Widerrufsrecht für Anzeigenauftrag?

Wir können die Aussage der Lorraine Media GmbH zum Widerruf nicht nachvollziehen und sind anderer Meinung.

  • Wird ein Anzeigenvertrag – wie in den uns vorliegenden Fällen – in einem Hotel abgeschlossen, so handelt es sich um einen sogenannten Außergeschäftsraumvertrag, der natürlich binnen einer 14-tägigen Frist widerrufen werden kann. Und da die gesetzlichen Vorschriften zum Widerrufsrecht zwingend sind, kann auch nicht einfach von diesen abgewichen werden.
  • Ein Verzicht auf das Widerrufsrecht ist ebenfalls nicht möglich, da ein Anzeigenauftrag kein Vertrag über die Lieferung digitaler Güter ist (so auch Amtsgericht Wolfrathshausen, Urteil vom 27. Dezember 2018; Az. 5 C 761/18. Unter digitalen Gütern sind vielmehr Spiele, Musiktitel oder Filme zu verstehen, die man sich herunterladen kann.
  • Ebenso führt die Überschrift des Vertrags „Gewerblicher Daueranzeigenauftrag zur selbstständigen / beruflichen Tätigkeit als Model“ nicht automatisch dazu, dass durch die Unterzeichnung des Vertrages die „Verbrauchereigenschaft“ verloren geht und daher kein Widerrufsrecht besteht. So beurteilte das Landgericht Berlin die Bezeichnung als gewerblichen Auftrag als irreführend, da diese Überschrift den - fälschlichen - Eindruck erwecke, dass den Betroffenen keine Verbraucherrechte zustehen, Urteil vom 9. August 2022, Az. 15 O 459/20, nicht rechtskräftig. Ob keine Verbrauchereigenschaft vorliegt, wird daher jeweils im Einzelfall zu klären sein.
  • Ein Wertersatz für die bis zum Zeitpunkt der Erklärung des Widerrufs erbrachten Dienstleistungen steht dem Unternehmer nur dann zu, wenn dieser den Verbraucher oder die Verbraucherin ordnungsgemäß informiert hat. Dabei ist es nicht ausreichend, dass das Informationsblatt zur Kenntnis und Unterschrift vorgelegt wird. Vielmehr muss die Lorraine Media GmbH das Informationsblatt aushändigen (vgl. Amtsgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 20. August 2019, Az. 387 C 124/19 (98)

Mehr über die Tücken des Widerrufs bei Lorraine Media ist nachzulesen im Aufsatz: Die Schönen und das Biest – Zum Widerruf von sogenannten „Daueranzeigeaufträgen“ zur Tätigkeit als Model in Heft 12 der juristischen Fachzeitschrift VuR 2021, 452ff.

Unser Rat

Geben Sie nicht klein bei und haben Sie starke Nerven. Zahlen Sie die geforderte Summe der Lorraine Media GmbH keinesfalls vorschnell, sondern lassen Sie sich rechtlich beraten. Wir schauen uns Ihren Fall gerne genauer an.

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