Wie fair ist Fairtrade?
Haben Sie sich beim Kauf eines fair gehandelten Produkts schon einmal gefragt, ob die Zutaten wirklich „fair” sind und nach mehr Informationen gesucht? Erfolglos? Falls ja, ging es nicht nur Ihnen so. Unser Marktcheck zeigt: Oft mangelt es an einer transparenten Kennzeichnung der fairen Zutaten.

Der faire Handel entwickelt sich positiv und verdient weitere Unterstützung, denn immer mehr Verbraucher wollen mit ihrem Einkauf zu einer gerechteren Welt beitragen und zahlen dafür gern einen Aufpreis.
Doch die ausgelobten fairen Eigenschaften von Lebensmitteln können Sie als Konsument nicht überprüfen. Es handelt sich um sogenannte Vertrauenseigenschaften. Daher haben Anbieter dieser Produkte aus unserer Sicht eine Bringschuld: Sie müssen die Kriterien für die Label oder das Wörtchen „Fair” im Produkt- bzw. Unternehmensnamen erläutern sowie die Herkunft der Rohstoffe nachvollziehbar und transparent machen. Eine klare Kennzeichnung ist das A und O, doch daran mangelt es oft, wie unser Marktcheck von 31 Lebensmitteln aus Supermärkten, Drogerien oder Weltläden ergeben hat. Bei der Hälfte gab es Mängel.
Aber damit nicht genug: Es gibt sogar Hersteller, deren Fair-Auslobung gar nichts mit dem traditionellen Ansatz des fairen Handels zu tun hat, und die so noch mehr Verwirrung stiften.
In unsere Bewertung der einzelnen Produkte sind verschiedene Kriterien eingeflossen, beispielsweise wie gut lesbar der prozentuale Anteil fair gehandelter Zutaten auf der Verpackung war, ob es weitergehende Informationen zum vergebenen Siegel gab oder die Herkunft der Zutaten gut nachvollziehbar war.
Alle Ergebnisse im Detail können Sie unseren PDF-Downloads entnehmen:
Das ist zu kritisieren
Mangelhafte Transparenz: Auf schriftliche Nachfrage antworteten nur 54 Prozent der angefragten Firmen – eine sehr schlechte Quote und kein gutes Zeichen im Hinblick auf Vertrauen und Glaubwürdigkeit.
Der Trick mit dem Wasser: Den tatsächlichen fairen Gehalt mit Rechentricks hochzurechnen, beispielsweise den Wassergehalt oder das Wasser aus der Milch (!) abzuziehen, ist aus Sicht der Verbraucherzentrale Etikettenschwindel. Anbieter weisen darauf hin, dass einige Zertifizierern dies sogar vorgeben. Diese Schönrechnerei haben wir bei drei Getränken gefunden.
Schlechte Lesbarkeit: Die Lesbarkeit der Zutatenliste lässt auf vielen Produktverpackungen zu wünschen übrig. Informationen zum fair gehandelten Anteil von Inhaltsstoffen wird so zum reinen Suchspiel. Mit Minischrift und schwierig zu entziffernder Symbolik glänzte im negativen Sinne zum Beispiel die Bio Nuss-Nougat-Creme von Rewe.
Verschwiegener Mengenausgleich: Aufgrund der kleinbäuerlichen Strukturen können einige wichtige Rohstoffe wie Kakao, Zucker, Saft oder Tee beim bekannten Label „Fairtrade“ nicht „physisch“ zurückverfolgt werden. Faire und konventionell produzierte Rohstoffe werden im Erzeugerland vermengt, und der faire Anteil wird berechnet. So kann es etwa sein, dass eine Schokolade mit einem großen Fairtrade-Logo tatsächlich kein einziges Gramm fair gehandelten Kakao oder Zucker enthält, weil sie sich in anderen Produkten ohne Kennzeichnung befinden. Darüber sollten die Hersteller ihre Kunden informieren, doch Hinweise auf das Prinzip des Mengenausgleichs fehlten zum Beispiel beim Saft 100 % Orange Fair von Pfanner.
Umstrittene 20-Prozent-Regel bei Mischprodukten: Ein großes Logo auf der Schauseite und nur 20 Prozent faire Zutaten im Produkt. Das entspricht nicht dem, was Verbraucher erwarten. Transparenter und verbraucherfreundlicher wäre es, den tatsächlichen Anteil fair gehandelter Zutaten groß unter dem Logo auf der Schauseite darzustellen, so dass der Prozentsatz auf den ersten Blick erkennbar ist und das Produkt besser eingeschätzt werden kann.
Verwässerte Standards: Zu den Prinzipien von Fairtrade gehört das Verbot besonders umweltschädigender Pestizide. Die Kunden erwarten beim Kauf dieser Produkte daher, dass weniger Chemie eingesetzt wurde. Doch beim Mengenausgleich könnte dieser Produktvorteil auf der Strecke bleiben.
Siegelwirrwarr: Allein 27 (!) unterschiedliche Siegel, Markennamen oder Auslobungen sowie teilweise auch Doppelkennzeichnungen mit Hinweisen auf eine faire Produktion wurden auf nur 32 Produkten gefunden. Klarheit sieht anders aus! Ein einheitliches, staatlich kontrolliertes Zeichen wie das Umweltzeichen „Blauer Engel“ mit nachprüfbaren Standards würde für mehr Transparenz beim Einkauf sorgen.
Fair aus Deutschland: Zu Irrtümern kann eine „Fair“-Kennzeichnung führen, wenn diese sich nicht auf den weltweiten fairen Handel, sondern auf eine bestimmte Produktionsweise in Deutschland bezieht, beispielsweise die Hühnerhaltung oder eine regionale Herkunft. Der Ansatz mag gut sein, doch ohne klare Vorgaben sorgt diese Kennzeichnung für Verwirrung bei Verbrauchern.
Das finden wir gut
Das Glas ist halbvoll. Wenn Firmen auf unser Anschreiben reagiert haben, dann waren viele einsichtig und gelobten meistens Besserung, indem sie zukünftig für bessere Lesbarkeit sorgen oder mehr Transparenz bei den Herkunftsangaben schaffen wollen. Verschiedene Zertifizierer von fairen Produkten haben nach unserer Veröffentlichung mit einer Stellungnahme reagiert:
Einige vorbildliche Beispiele sind schon jetzt am Markt erhältlich; wir haben sie in einer Bildergalerie zusammengestellt.
Bitte beachten Sie, dass dieser Artikel den Stand der Dinge zum Zeitpunkt der Veröffentlichung wiedergibt.