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Hat Nestlé bei der Reduktion von Zucker, Fett und Salz zu viel versprochen?

Der Lebensmittelkonzern Nestlé sagt, dass seine Produkte heute weniger Zucker, Fett und Salz enthalten als noch vor einigen Jahren. 10 Prozent weniger sollen es nach einem über Twitter verbreiteten Video sein. Wir haben den Faktencheck gemacht und die Nährwerte von 24 Nestlé-Lebensmitteln stichprobenartig verglichen. Das Ergebnis ist ernüchternd.

Unternehmenssitz von Nestlé Deutschland in Frankfurt am Main

Das Wichtigste in Kürze

  1. Die Lebensmittelwirtschaft hat sich verpflichtet, Zucker, Fett und Salz in Fertigprodukten zu reduzieren. Der Chef von Nestlé Deutschland erklärte in einem Video, dass sein Konzern in den letzten Jahren bereits 10 Prozent reduziert habe.
  2. Die Verbraucherzentrale Hamburg hat stichprobenartig die Nährwerte von insgesamt 24 Nestlé-Produkten aus den Jahren 2008 bis 2016 recherchiert und mit dem aktuellen Sortiment verglichen. Die Ergebnisse decken sich nicht mit der Aussage des Nestlé-CEOs. Beim Zucker beträgt die Reduktion durchschnittlich nur 5,7 Prozent, beim Fett 0 Prozent. Nur beim Salzgehalt werden mit 11,3 Prozent die versprochenen Vorgaben erreicht. Viele Produkte schneiden in der Nährwerte-Bilanz schlechter ab.
  3. Die Verbraucherzentrale Hamburg fordert mehr Transparenz seitens der Hersteller für ihre sogenannten Reduktionsstrategien. Das Unternehmen Nestlé sollte detailliert darlegen, auf welche Datengrundlage es seine Aussagen stützt. Ein unabhängiges Informationsportal, das die Entwicklung der Nährwerte von Produkten abbildet und begleitet, könnte helfen, die Anbieter stärker in die Pflicht zu nehmen.
Stand: 19.06.2019

Ein Twitter-Video mit Nestlé als „Super-Zuckersparer“ hat in der letzten Woche für große Entrüstung in der Öffentlichkeit gesorgt. Demnach wird Nestlé in Zukunft Salz, Zucker und Fett reduzieren und hat „in den letzten Jahren ca. 10 Prozent reduzieren können“, so die Aussage des CEO von Nestlé Deutschland Mark-Aurel Boersch in dem kurzen Statement.

Doch hat Nestlé wirklich die Rezepturen verbessert? Dazu haben wir in unserer Asservatenkammer nach alten Nestlé-Produkten geschaut und im Internet recherchiert. Insgesamt 24 Fertigprodukte von Nestlé haben wir mit dem aktuellen Sortiment verglichen. Unsere Bilanz ist enttäuschend.

Viele Produkte enthalten mehr Zucker und Fett

Mit den Vergleichswerten unserer Stichprobe können wir die Aussagen des deutschen Nestlé-Chefs Mark-Aurel Boersch nicht bestätigen. Beim Zucker beträgt die Reduktion durchschnittlich nur 5,7 statt 10 Prozent, beim Fett gibt es gar keine Verbesserung. Der Fettgehalt ist insgesamt genauso hoch wie bei den Vorgängerprodukten. Lediglich beim Salz werden die Vorgaben mit 11,3 Prozent übertroffen.

Dagegen weist mehr als die Hälfte der untersuchten Produkte (13 von 24) den gleichen oder sogar einen höheren Zuckergehalt auf. 60 Prozent (15 von 24) enthalten gleich viel oder mehr Fett. Deshalb ist der Kaloriengehalt der untersuchten Lebensmittel aktuell noch genauso hoch wie vor Jahren. Nestlé hat nach den Ergebnissen unserer Stichprobe den öffentlich genannten Wert deutlich verfehlt.

Wir haben die Nährwertangaben für Zucker, Fett und Salz der archivierten Nestlé-Produkte mit den aktuellen Etiketten verglichen. Die Ergebnisse im Detail:

Immer noch jede Menge Zucker

Nur bei 17 Prozent (4 von 24) der überprüften Produkte hat Nestlé den Zuckergehalt um die versprochenen 10 Prozent reduziert. Positiv fallen in diesem Zusammenhang die Cerealien »Nesquik Duo« und »Fitness Knusperflakes« auf. Auch die neue Rezeptur des »Nesquik Kakaopulver 30% weniger Zucker« enthält nun noch weniger Zucker. Das klassische Kakaopulver der Marke »Nesquik« hingegen wird noch immer mit einem Zuckeranteil von über 75 Prozent verkauft. Die »Smarties Schokolinsen« und der Riegel »KitKat Chunky« sind jetzt sogar süßer als ihre Vorgängermodelle.

Schlechte Bilanz fürs Fett

Nur bei 13 Prozent (3 von 24) der geprüften Lebensmittel, den Cerealien »Nesquik Duo« und »Clusters Mandel« sowie der »Maggi Tierfigurensuppe«, sank der Fettgehalt um über 10 Prozent in den letzten neun Jahren. Viele andere Produkte wie die »Maggi Spargelcremesuppe Guten Appetit«, die aktuell mit fast doppelt so viel Fett ausgestattet ist wie im Jahr 2015, machen keine gute Figur. Solche Fertiglebensmittel in der Stichprobe sorgen dafür, dass die Verbraucherschützer im Durchschnitt keine Fettreduktion feststellen konnten.

Fortschritte beim Salz

Lediglich beim Salz hat Nestlé anscheinend Fortschritte gemacht. Rund 11,3 Prozent niedrigere Salzwerte finden sich durchschnittlich auf den überprüften Etiketten wieder, wobei bei vielen Produkten, wie beispielsweise Süßwaren, der Salzgehalt keine wichtige Rolle spielt.

Mehr Transparenz notwendig

Wir fragen uns, wie und wo Nestlé in den letzten Jahren jeweils 10 Prozent Zucker, Fett und Salz eingespart hat und auf welche Datengrundlage der Konzern seine Aussagen stützt. Unsere Stichprobe zeichnet ein anderes Bild. Wir meinen: Verbraucherinnen und Verbraucher haben ein Recht auf mehr Transparenz und weniger Schönfärberei! Deshalb haben wir heute auch eine E-Mail an Nestlé geschrieben und bitten darin um eine Stellungnahme zu den offenen Fragen.

Die vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) angestoßene Nationale Reduktions- und Innovationsstrategie „Weniger Zucker, Fette und Salz in Fertigprodukten“ kann nur erfolgreich sein, wenn die Lebensmittelindustrie sich klar dazu bekennt und nicht getrickst wird. Wir unterstützen die Forderungen des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv)

  • Eine Reduktion von Zucker, Fett und Salz muss mit einer Reduktion des Energiegehalts einhergehen. Ein übermäßiger Einsatz von zum Beispiel Süßstoffen bei der Reduktion von Zucker ist kritisch zu sehen.
  • Zucker, Fett und Salz sollten nicht durch Stoffe ersetzt werden, die gegebenenfalls andere gesundheitliche Risiken mit sich bringen können.
  • Um eine flächendeckende Verbesserung des Nährwertprofils von Lebensmitteln zu erreichen, müssen alle Lebensmittelhersteller an der Reduktionsstrategie teilnehmen. Es müssen verbindliche, mittel- bis langfristige produktgruppenspezifische Reduktionsziele sowie konkrete Zeitvorgaben vereinbart werden.
  • Transparenz und eine realistische Kommunikation über Reduktionsschritte und Produktveränderungen sind nötig, um die Akzeptanz seitens der Verbraucher zu erhöhen. Es darf keine „Mogelpackungen“ geben.
  • Um den Reduktionsprozess transparent zu begleiten und Veränderungen innerhalb bestimmter Produktgruppen aufzeigen zu können, braucht es messbare Zwischenergebnisse und eine Vergleichbarkeit der Aktivitäten.
  • Der Fokus sollte zunächst auf Produktgruppen liegen, die häufig von verletzlichen Verbrauchergruppen wie Kindern und Jugendlichen konsumiert werden. Langfristig müssen jedoch alle Produktgruppen entsprechend reformuliert werden.

Wir werden die Reduktionsstrategie des BMEL weiter kritisch begleiten. Denn es darf nicht sein, dass man Unternehmen auf die Schulter klopft, die beispielsweise völlig überzuckerte Kinderprodukte im Zuckergehalt auf ein weiterhin sehr hohes Niveau reduzieren, die die Portionsgrößen verkleinern und das als Reduktionsmaßnahme verkaufen oder einfach durch einen höheren Absatz von Light-Produkten im Sortiment die Gesamtbilanz schönen, ohne ihre zucker- und fettreichen Klassiker zu verändern.

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