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Nutri-Score - wo steckst du?

Ja, es gibt sie, die Lebensmittel, die einen Nutri-Score auf der Packung tragen. Doch obwohl die Lebensmittelindustrie bereits seit zwei Jahren ihre Produkte mit der farbigen Nährwertkennzeichnung deklarieren darf, sieht es mau aus in den Regalen. Nicht einmal die Hälfte der in einem bundesweiten Marktcheck überprüften Produkte trug einen Nutri-Score. Wir finden: eine vertane Chance – für Verbraucherinnen und Verbraucher, die Hersteller und den Handel.

Junge Frau schaut auf Packung im Supermarkt

Das Wichtigste in Kürze

  1. Von 1.451 durch die Verbraucherzentralen bei einem Marktcheck untersuchten Lebensmitteln trugen 40 Prozent den Nutri-Score. Im Vergleich zum Vorjahr erhöhte sich der Anteil um insgesamt sieben Prozentpunkte.
  2. Der Nutri-Score zeigt meist zuverlässig Unterschiede in der Nährstoffzusammensetzung von verarbeiteten Lebensmitteln innerhalb einer Produktgruppe an.
  3. Die Verbraucherzentralen fordern die europaweit verpflichtende Einführung des Nutri-Score und eine regelmäßige Kontrolle durch die Lebensmittelüberwachung.
Stand: 01.12.2022

Ein bundesweiter Marktcheck der Verbraucherzentralen mit 1.451 Lebensmitteln zeigt: Es sind noch zu wenige Produkte mit dem Nutri-Score gekennzeichnet. Dabei kann das freiwillige Label eine verlässliche Hilfe für Verbraucherinnen und Verbraucher bei der Auswahl von Produkten mit einer besseren Nährstoffzusammensetzung sein.

Weniger als die Hälfte der Lebensmittel mit Nutri-Score

Die Verbraucherzentralen haben hunderte Lebensmittel aus den Produktgruppen Brote und Brötchen, Pizzas, Milch und Milchgetränke, Pflanzendrinks und Cerealien hinsichtlich einer Kennzeichnung mit dem Nutri-Score überprüft. Verglichen wurden die Ergebnisse mit den Angaben, die die Verbraucherzentralen im Rahmen eines Pre-Checks bei den gleichen Produkten ein Jahr zuvor erhoben hatten. Die Ergebnisse in Kürze:

  • 579 von 1.451 Produkten (40 Prozent) trugen einen Nutri-Score und damit weniger als die Hälfte der untersuchten Lebensmittel.
  • Mit 118 von 169 Produkten (70 Prozent) waren Pizzas am häufigsten mit dem Nutri-Score gekennzeichnet.
  • Am seltensten war der Nutri-Score bei Cerealien und Milchprodukten mit einem Anteil von jeweils 28 Prozent zu finden.
  • Im Vergleich zum Vorjahr stieg der Anteil der mit einem Nutri-Score gekennzeichneten Produkte von 477 auf 579 und damit um sieben Prozentpunkte.
  • Bei insgesamt 140 von 1.451 Lebensmitteln hat sich die Nährstoffzusammensetzung im Laufe des Jahres verbessert.
  • Vollständiger Bericht zum Nutri-Score-Marktcheck der Verbraucherzentralen (PDF-Dokument: „Noch zu wenige Lebensmittel mit Nutri-Score im Handel“ | Stand: Dezember 2022)

Wir fordern in Sachen Nutri-Score mehr Tempo von der Lebensmittelindustrie. Die farbige Nährwertkennzeichnung kann ihre Aussagekraft innerhalb einer Produktgruppe wesentlich besser entfalten, wenn sie flächendeckend eingesetzt wird. Doch die Einführung geht nur langsam voran. Deshalb sollte der Nutri-Score europaweit zur Pflicht werden. Bislang dürfen Unternehmen selbst entscheiden, ob sie das Label verwenden oder nicht.

Nutri-Score hilft beim Einkauf

Die Ergebnisse der Marktchecks zeigen, dass der Nutri-Score dabei hilft, innerhalb einer Produktgruppe Lebensmittel mit einer besseren Nährstoffzusammensetzung auszuwählen. Je schlechter der Nutri-Score beispielsweise bei Brot, desto höher ist der durchschnittliche Gehalt an Salz in den Produkten. Bei den Pizzas ist der durchschnittliche Gehalt an gesättigten Fettsäuren etwa viermal so hoch, wenn auf der Packung ein D statt einem A steht.

Erfreulich ist, dass Anbieter bei etwa einem Zehntel der untersuchten Produkte die Nährstoffzusammensetzung im Laufe des Jahres verbessert haben.

Ergebnisse zu den einzelnen Produktgruppen

Die Verbraucherzentralen haben sich die Nährstoffzusammensetzung in den untersuchten Produktgruppen des Marktchecks genauer angeschaut. Im Fokus standen die Nährstoffe, die für die Berechnung des Nutri-Score eine wichtige Rolle spielen. Exemplarisch werden hier die wichtige Ergebnisse zu den Produktgruppen Brot und Brötchen, Pizzas und Cerealien vorgestellt.

Brote und Brötchen

Mit besserem Nutri-Score sank bei den Broten und Brötchen im Durchschnitt der Salzgehalt, der Ballaststoffgehalt hingegen erhöhte sich. So stieg etwa der durchschnittliche Salzgehalt bei Produkten mit dem Nutri-Score A von 1,1 Gramm über 1,2 Gramm (B) auf 1,7 Gramm pro 100 Gramm bei Produkten mit Nutri-Score C. Der durchschnittliche Ballaststoffgehalt fiel bei Broten und Brötchen mit dem Nutri-Score A von 7,3 auf 5,7 Gramm pro 100 Gramm bei B. Der durchschnittliche Salzgehalt über alle Produkte hinweg blieb zwischen Pre-Check und Marktcheck konstant bei 1,1 Gramm pro 100 Gramm.

Pizzas

Mit schlechterem Nutri-Score stiegen im Durchschnitt der Salzgehalt und der Gehalt an gesättigten Fettsäuren. Der durchschnittliche Salzgehalt der Pizzas mit dem Nutri-Score D lag knapp 40 Prozent über dem von Pizzas mit A. Der durchschnittliche Gehalt an gesättigten Fettsäuren war bei Produkten mit Nutri-Score D vier Mal so hoch wie bei Pizzas mit A.

Cerealien

Produkte mit Nutri-Score D hatten einen  sechsfach höheren durchschnittlichen Gehalt an gesättigten Fettsäuren  im Vergleich zu Produkten mit Nutri-Score A. Ebenfalls stieg der durchschnittliche Zuckergehalt von gut 11 Gramm pro 100 Gramm auf fast 25 Gramm an. Ein guter Nutri-Score ist aber kein Garant für niedrige Zuckergehalte bei Cerealien. Es gab einzelne Produkte, die trotz Nutri-Score A bis zu 25 Gramm Zucker pro 100 Gramm enthielten.

Die Verbraucherzentralen untersuchten auch 63 Cerealien mit Kinderoptik: Sie waren im Durchschnitt mit 23 Gramm pro 100 Gramm deutlich zuckerreicher als Produkte ohne Kinderoptik. Von den zehn zuckerreichsten Produkten aller Cerealien waren acht an Kinder gerichtet. Unter den 100 Cerealien mit den geringsten Zuckergehalten waren dagegen nur zwei Produkte mit Kinderoptik zu finden.

Nutri-Score weiter voranbringen

Das Grundprinzip der Berechnung des Nutri-Score ist, dass positive und negative Nährstoffe miteinander verrechnet werden. Das kann aktuell dazu führen, dass beispielsweise Cerealien trotz hoher Zuckergehalte einen guten Nutri-Score erhalten. Für 2023 sind allerdings Verbesserungen in Aussicht gestellt, die den Zuckergehalt strenger bewerten, sodass hohe Zuckermengen nicht mehr so einfach ausgeglichen werden können. Außerdem sollen auch die Gehalte an Salz und Ballaststoffen strenger bewertet werden. Diese geplanten Veränderungen haben wir gefordert, denn durch sie wird die Nährstoffzusammensetzung durch den Nutri-Score noch besser abgebildet.

Nutri-Score häufiger kontrollieren

Der Nutri-Score wird nur in drei von 14 angefragten Bundesländern regelmäßig durch die Behörden der Lebensmittelüberwachung überprüft. Das ist viel zu wenig, finden wir! Auch bei dieser freiwilligen Deklaration sind regelmäßige und bundesweit einheitliche Kontrollen notwendig. Immerhin 17 Produkte im Marktcheck waren laut unseren Berechnungen mit einem falschen Nutri-Score gekennzeichnet.

Wie geht es weiter mit dem Nutri-Score?

Der Nutri-Score-Lenkungsausschuss, der für die übergreifende Koordination und Entwicklung des Nutri-Score auf internationaler Ebene verantwortlich ist, hat Vorschlägen eines wissenschaftlichen Gremiums zur Anpassung des Algorithmus im Juli 2022 zugestimmt. Diese hatten sich aus einer Evaluierung ergeben und sollen für eine bessere Übereinstimmung mit den aktuellen Ernährungsempfehlungen sorgen:

  • So werden zukünftig etwa die Zucker- und Salzgehalt strenger bewertet. Durch diese Anpassungen werden Lebensmittel wie Tiefkühlpizza, Frühstückscerealien, süße Backwaren oder Fertiggerichte seltener eine grüne Bewertung bekommen.
  • Außerdem haben die Wissenschaftler die Ballaststoff-Komponente angepasst, damit Produkte die reich an Ballaststoffen sind besser von raffinierten Produkten unterschieden werden können.
  • Fette und Öle mit einem günstigen Nährwertprofil und einem geringen Anteil an gesättigten Fettsäuren können durch die neuen Anpassungen besser bewertet werden.
  • Auch in den Produktbereichen Fleisch und Fleischprodukte, Fisch und Meeresfrüchte sowie gesüßte und ungesüßte Milchprodukte gibt es Änderungen und zusätzliche Regelungen, sodass diese differenzierter bewertet werden können und besser mit den aktuellen Ernährungsempfehlungen übereinstimmen. 

Weitere Anpassungen wurden für 2023 angekündigt. Wenn die Evaluation abgeschlossen ist, werden die Benutzungsbedingungen des Nutri-Score aktualisiert. Weitere Informationen dazu hat das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft veröffentlicht.

Die Ergebnisse des Marktchecks zeigen, dass die angedachten Anpassungen notwendig und sinnvoll sind. Deshalb unterstützen die Verbraucherzentralen diese Beschlüsse. Wir meinen aber, dass die vorgeschlagene strengere Bewertung des Zuckergehalts immer noch nicht ausreichend ist. Als Bezugsgröße für die Zucker-Bewertung im Nutri-Score sollte nicht die Referenzmenge von 90 Gramm pro Tag – wie in der Lebensmittelinformationsverordnung aufgeführt – verwendet werden, sondern maximal 50 Gramm pro Tag. Dieser Wert kommt den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) viel näher. Zusätzlich fordern wir auch, den Vollkornanteil eines Lebensmittels zu berücksichtigen. Beide Maßnahmen würden dafür sorgen, Produkte hinsichtlich ihrer Nährstoffzusammensetzung mit dem Nutri-Score noch besser unterscheiden zu können.

Die EU-Kommission hat angekündigt, Ende 2022 einen Vorschlag für eine europäische Nährwertkennzeichnung zu veröffentlichen. Es ist ungewiss, ob dies der Nutri-Score sein wird, obwohl dieser wissenschaftlich gut auf seine Wirksamkeit untersucht ist. Widerstände gibt es vor allem aus Italien und einigen osteuropäischen Ländern. Befürworter des Nutri-Score sind neben Deutschland, Spanien, Frankreich, Belgien, Luxemburg und die Niederlande zusätzlich auch noch die Schweiz.

Zum Weiterlesen

Sie möchten noch mehr über den Nutri-Score wissen? In unserem Artikel „Nutri-Score – das sollte man wissen“ erfahren Sie mehr über die farbige Nährwertkennzeichnung, ihre Vor- und Nachteile, die Berechnungsmethode und können sich durch anschauliche Beispiele klicken.

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