Die Neunziger: Einheit und Wirtschaftskrise

Am 3. Oktober geschieht das lange kaum vorstellbare: Die DDR tritt der Bundesrepublik 45 Jahre nach Kriegsende bei. Doch die gesamtdeutsche Wirtschaft gerät Anfang der 90er auf Talfahrt. Im Januar 1994 sind erstmals 4 Millionen Erwerbslose registriert. Ostdeutschland ist besonders von Massenentlassungen und Betriebsstilllegungen betroffen. Seit 1993 sollen alle recycelbaren Materialien vom Dualen System Deutschland (DSD) der Neuverwertung zugeführt werden, die Geburtsstunde des „Grünen Punktes“. Doch DSD wird aufgrund mangelnder Kapazitäten für die anfallenden 150 Milliarden Verpackungen zunächst zum gigantischen Flop.

Mitte der Neunziger wurde die Verbraucherzentrale zu einem modernen Dienstleister in dem Haus an der Kirchenallee. Die Verbands- und Sammelklagen gegen Banken, Versicherungen, Telefon- und Energiekonzerne standen im Vordergrund der Arbeit.

Die Verbraucher-Zentrale entlarvt erneut eine Mogelpackung: In einigen Kosmetikfachgeschäften wird 1990 völlig normales Mineralwasser der Marke "Evian" in Spraydosen angeboten. Die besondere Spitzenleistung dieses Produkts ist der Preis: 50 Milliliter kosten 4 Mark 95! Die Verbraucher-Zentrale stellt in der Pressemitteilung unmissverständlich klar: "Diese Effekte lassen sich viel besser und vor allem billiger und umweltfreundlicher mit normalem Leitungswasser erzielen".

© Verbraucherzentrale Hamburg
Nachdem die Wirtschaftsbehörde im Streit über die Höhe eines Defizit ihre Mittel sperrt, stellt der Vorstand der Verbraucher-Zentrale am 21. Oktober 1991 Konkursantrag. Die Verbraucher-Zentrale ist für Besucher geschlossen, die Mitarbeiter erhalten kein Gehalt. Sanierungsvorschläge des Vorstands werden von der Behörde abgelehnt, doch schließlich verhandelt eine Senatskomission mit dem Vorstand die Sanierungsbedingungen. Am Heiligabend 1991 beschließt der Senat das Konzept. Die Verbraucher-Zentrale ist gerettet - gerupft, aber die alte.

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Vorausschauendes Engagement: Verlieren die Verbraucher ihre Rechte in Europa?

Nach der Abwendung des Konkurs tritt der neue Geschäftsführer, der Jurist Dr. Günther Hörmann, am 1. August 1992 an. Die Kosten für die Sanierung sind bis 1994 von der Verbraucherzentrale selbst aufzubringen. Die Devise lautet Sparen. Eine der ersten folgen der Maßnahmen: Die Schuldnerberatung Wilhelmsburg muss nach sieben Jahren Tätigkeit ihre Pforten schließen.

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Die Verbraucher-Zentrale ist einer modernen Mogelpackung auf der Spur: den Light-Produkten. Eine bundesweite Überprüfung ergibt: Die vermeintlichen "Leichten" sind oft zu schwer. 25 Prozent der Light-Lebensmittel genügten nicht den gesetzlichen Vorschriften: Entgegen den in sie gesetzten Erwartungen sind sie nicht kalorienarm. Mit Erfolg fordert die Verbraucher-Zentrale gesetzliche Regelungen. Bei Käse und Milchprodukten gibt es ab 1993 eine klare gesetzliche Begriffsdefinition für "leicht".

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Beratungsprofis - ein Teil des Teams der Verbraucherzentrale
Edda Castelló, Abteilungsleiterin Verbraucherrecht, Finanz- und Gesundheitsdienstleistungen, im April 1997: "Im Bereich der Finanzdienstleistungen [...] sind wir in manchen Punkten den Banken vorneweg. Insbesondere bei der Baufinanzierung merken wir [...], dass die überhaupt noch nicht so weit sind. Gerade bei Vorfälligkeitsentschädigung, Disagio und Variozins, wo wir konkret auch Verluste berechnen, da rechnen die so pi mal Daumen. Und die Banken fragen uns jetzt: Wo kriegen wir denn das Programm her, mit denen Sie das berechnen."

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1995 ist das Jahr des Umzugs - am 14. Dezember ist es geschafft: Die Verbraucher-Zentrale hat eine neue Adresse: Kirchenallee 22, zentral gelegen, direkt am Hauptbahnhof. Mit der lange angestrebten Modernisierung hat sie auch ein neues Gesicht bekommen. Der öffentliche Teil mit Infozentrum, Beratungsetage und Seminarraum ist durch einen gesonderten, auffälligen Eingang zu erreichen. Helle, freundliche und funktionale Räume präsentieren die Verbraucher-Zentrale als modernes Dienstleistungszentrum.

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Hell und modern: Das Infozentrum im "Haus des Verbraucherschutzes" in der Kirchenallee. Im Mai 1996 wird es offiziell eingeweiht. Nach einigen Monaten Arbeit in den neuen Räumen stellt der Vorsitzende Klaus Tonner fest: Die Verbraucher-Zentrale hat den Sprung vom "Bürgerinitiativen-Behörden-Gemisch" zu einem modernen Dienstleister geschafft. Mit 25 festen und 55 freien Mitarbeitern bewältigt die Verbraucher-Zentrale in diesem Jahr mehr als 272.000 Anfragen.

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"Wir sind immer parteilich für die Verbraucher. Wir haben uns nicht korrumpieren lassen - wir haben allerdings auch keine Angebote bekommen." Edda Castelló, Juristin in der Verbraucherzentrale
Zehnjähriges bestehen feiert die Patientenberatung 1998. Sie war 1988 nach dem Medizin-Skandal "Barmbek/Bernbeck" entstanden - als Gegenpol zu den mächtigen Ärzteorganisationen. Beim Jubiläum würdigt Gesundheitssenatorin Karin Roth die Pionierarbeit und hebt die Wichtigkeit unabhängiger Stellen hervor, "die weder Sprachrohr der Leistungsbringer noch der Kostenträger sind".

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