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Postbank: Riskanter Fonds für Seniorin

Einer fast 90-jährigen alten Dame empfiehlt die Postbank, ihr Geld in einen riskanten Fonds zu investieren, und anschließend behauptet sie, die Kundin habe genau diesen Fonds von sich aus unbedingt haben wollen. Die unglaubliche Geschichte von Frau S. aus Hamburg.

Hand einer älteren Frau

Das Wichtigste in Kürze

  1. Frau S. ist fast 90 Jahre, langjährige Kundin der Postbank und eine sicherheitsorientierte Anlegerin, die den Verkaufserlös für Anteile an einem sich rückläufig entwickelnden Rentenfonds auf ihr Sparbuch überweisen wollte.
  2. Ein Mitarbeiter der Postbank empfiehlt ihr jedoch den Erwerb des JP Morgan Global Income Fund und trotz mehrmaliger Versuche seitens Frau S., den Kauf zu stoppen, werden schlussendlich fast 50.000 Euro in den riskanten Fonds investiert.
  3. Der später eingeleitete Verkauf der ungewollten Fondsanteile ist für Frau S. mit Veräußerungs- und Zinsverlusten verbunden.
  4. Mit Unterstützung der Verbraucherzentrale fordert Frau S. Schadensersatz von der Postbank, doch die Bank weist alle Vorwürfe zurück und behauptet, die Initiative zum Kauf des fraglichen Fonds sei von Frau S. ausgegangen, eine Anlageberatung habe sie abgelehnt.
Stand: 28.01.2019

Als habe es die Finanzkrise nicht gegeben, in deren Verlauf aufgedeckt wurde, dass Banken auf Sicherheit bedachten Kunden riskante Lehman-Zertifikate und Schiffsfonds angedreht hatten und daraus resultierend zahlreiche Gesetze erlassen wurden, um solche Machenschaften in Zukunft zu unterbinden, dreht die Postbank einer hochbetagten Dame eine riskanten Fonds an. Die Geschichte von Frau S. macht uns sprachlos.

Frau S. bevorzugt sicherere Geldanlagen

Herr K., langjähriger Vermögensberater von Frau S. bei der Postbank empfahl ihr, den sich in ihrem Depot befindlichen gemischten Rentenfonds Investment Grade Carmignac Securite A (WKN A0DP51) zu verkaufen, da er sich rückläufig entwickle. Damit war Frau S. einverstanden und wünschte die Überweisung des Verkaufserlöses auf ihr Girokonto oder ihr Sparbuch. Die mit ihren fast 90 Jahren schon ältere Dame war sehr auf die Sicherheit ihrer Geldanlagen bedacht und diesen Wunsch respektierte Herr K. von der Postbank.

Frau S. hatte mit ihren Anteilen am ursprünglich offenen Immobilienfonds CS Euroreal, der später geschlossen und nun seit Jahren abgewickelt wird, erhebliche Verluste hinnehmen müssen und wollte eine solche Erfahrung keinesfalls noch einmal machen. Da sie plante, bald in ein Seniorenheim umzuziehen, befürchtete sie zudem, die Entwicklung eines Fonds nicht mehr im Auge behalten zu können.

Neuer Fonds von neuem Vermögensberater

Kurze Zeit später meldete sich Herr A. von der Postbank schriftlich bei Frau S. und teilte ihr mit, zukünftig für ihre Geldanlagen und Wertpapiere zuständig zu sein. Sie möge doch einmal vorbeischauen, um sich kennenzulernen.

Frau S. suchte am 18. September 2018 die zuständige Filiale in der Wandsbeker Schlossstraße auf und traf ihren neuen Berater Herrn A. bei einem Kennenlerngespräch. Er riet ihr davon ab, den Erlös aus dem Verkauf des Fonds auf ihr Girokonto oder ihr Sparbuch zu überweisen, weil dies keine Zinsen abwerfe, und empfahl ihr stattdessen den Erwerb des JP Morgan Global Income Fund (WKN A0RBX2). Anhand von Charts auf seinem Computerbildschirm versuchte Herr A. Frau S. die erfolgreiche Entwicklung des Fonds zu verdeutlichen, obwohl Frau S. ihn darauf hinwies, dass sie mit ihren 89 Jahren nicht mehr über eine ausreichende Sehkraft verfüge, um dies erkennen zu können. Sie betonte, dass es ihr nicht auf Gewinne ankomme, sondern dass ihr ausschließlich die Sicherheit ihres Vermögens am Herzen liege. Herr A. behauptete, der Fonds sei mit keinerlei Risiko verbunden und sei genau das Richtige für sie.

Frau S. verließ sich auf die Aussagen von Herrn A. und stimmte dem Erwerb des Fonds zu. Angeblich um ihr eine bessere Übersichtlichkeit zu verschaffen, riet er dazu, den auf ihrem Anlagekonto noch befindlichen Betrag von 10.000 Euro zu dem aus dem Verkauf des Vorgängerfonds zu erzielenden Erlös hinzuzunehmen und insgesamt 48.000 Euro in den neuen Fonds zu investieren.

Herr A. händigte Frau S. keinerlei Unterlagen aus, doch sie nahm die ausliegende Werbeinformation „Anlagekompass 5/2018“ mit und fand darin, als sie diese zu Hause mit einer Lupe las, eine Information über den empfohlenen Fonds. Sie stellte fest, dass der Fonds keineswegs risikolos ist, sondern sich ausdrücklich an risikobewusste Anleger richtet. Daraufhin machte sich Frau S. gleich wieder auf den Weg in die Schlossstraße und befragte Herrn A. dazu. Dieser behauptete, die Information sei veraltet und die Bewertung überholt. Davon ließ sich Frau S. beruhigen.

Fonds nicht gewollt und trotzdem gekauft

Am 21. September 2018 erhielt Frau S. Post von der Fondsgesellschaft einen umfangreichen Prospekt und eine Kurzbeschreibung, der sie erneut entnehmen konnte, dass die Investition in diesen Fonds nur für risikobewusste Anleger geeignet ist. Sie begab sich wieder in die Postbank-Filiale, um die Durchführung des Geschäfts zu verhindern. Da sie Herrn A. nicht antraf, wandte sie sich an ihren vorherigen Berater, Herrn K. Diesem händigte sie die erhaltenen Unterlagen aus und teilte ihm mit, dass sie diesen Fonds nicht wolle. Er riet ihr, den auf dem Anlagekonto befindlichen Betrag auf ihr Girokonto zu übertragen, damit ein Kauf der von ihr nicht gewünschten Fondsanteile nicht durchgeführt werden könne.

Am 24. September fragte Frau S. bei den Herren K. und A. noch einmal persönlich nach, ob der Erwerb des Fonds nun wirklich nicht durchgeführt werde. Sie sagten ihr zu, sich darum zu kümmern.

Am 26. Oktober begab sich Frau S. mit den inzwischen von der Postbank erhaltenen Schreiben zur Filiale und übergab diese an Herrn K., weil sich Herr A. im Urlaub befand. Den Schreiben war zu entnehmen, dass am 24./25. September eine Lastschrift über 48.000 Euro ausgeführt worden war, obwohl sich kein Guthaben auf dem Anlagekonto befand. Dies führte zu einem Minussaldo von 47.728,72 Euro.

Mit den am 5. November erhaltenen Schreiben über den Verkauf nicht nur des nicht gewollten JP Morgan Global Income Fund für 45.290,10 Euro, sondern auch von Anteilen am CS Euroreal für 2.811,26 Euro suchte Frau S. am 6. November Herrn A. auf und machte deutlich, dass sie entsetzt und verärgert über den Verlauf der Angelegenheit sei. Er bedauerte es sehr, bekundete aber, er könne nichts machen. Sie müsse sich jetzt allein darum kümmern. Frau S. bestand auf einem weiteren Gespräch zur Bereinigung der Angelegenheit in Gegenwart des Filialleiters und ihrer Nachbarin, das jedoch ergebnislos blieb, zumal sich der Filialleiter gänzlich uninteressiert zeigte. Er sagte ihr auf entsprechende Nachfrage, dass ein Beratungsprotokoll nicht erforderlich sei.

Schadensersatz wegen Falschberatung gefordert

Frau S. kam gemeinsam mit ihrer Nachbarin Frau B. Mitte November in unsere Beratung und bat um Unterstützung. 

Mit Schreiben vom 21. November 2018 wandten wir uns an die Postbank, schilderten den Sachverhalt und informierten sie darüber, dass seit Anfang 2018 Privatkunden im Anschluss an eine Anlageberatung aufgrund der zweiten europäischen Finanzmarktrichtlinie (MiFID II) sowie des deutschen Umsetzungsgesetzes (2. FiMaNoG) Kunden nach einem Anlageberatungsgespräch eine Geeignetheitserklärung auszuhändigen ist. Diese hatte Frau S. nicht erhalten. In der Geeignetheitserklärung müssen Banken schriftlich darstellen, weshalb die ausgesprochene Empfehlung – beispielsweise ein Finanzinstrument zu kaufen oder zu verkaufen – zu dem jeweiligen Kunden passt, also für diesen geeignet ist. Die Geeignetheitserklärung ersetzt das vorher zu erstellende Beratungsprotokoll.

Wir wiesen außerdem darauf hin, dass angesichts des Alters der Anlegerin, ihrer stets bekundeten Risikoaversion und Betonung des Wunsches nach absoluter Sicherheit für ihr Vermögen der empfohlene Fonds, der einen hohen Aktienanteil hat, nicht auf die Kundenwünsche abgestimmt und vollständig ungeeignet ist. Angesichts der mit den Aktienanlagen verbundenen Kapitalverlustrisiken muss eine Haltedauer von fünf Jahren einkalkuliert werden, die bei einer fast 90-jährigen wenig passend ist. Wir äußerten die Vermutung, dass angesichts der Höhe des angelegten Betrages, die mit dem fadenscheinigen Argument der besseren Übersichtlichkeit begründet wurde, bei der Empfehlung das Provisionsinteresse der Postbank wohl im Vordergrund gestanden habe und befanden, dass die Interessen der Kundin auf das Gröbste missachtet wurden. Über die zu verdienenden Provisionen, die  ungefragt und transparent offengelegt werden müssen, wurde Frau S. nicht aufgeklärt.

Wir forderten die Postbank auf, Frau S. die entstandenen Veräußerungsverluste (der Fonds war inzwischen wieder verkauft worden) und Zinsen, die durch die Falschberatung ihres Mitarbeiters verursacht wurden, vollständig zu ersetzen. Das Antwortschreiben der Postbank vom 3. Dezember 2018 machte uns sprachlos.

Postbank fegt Vorwürfe vom Tisch

Unter Berufung auf die Stellungnahme ihres Mitarbeiters A. stellt die Postbank den Vorgang wie folgt dar: Die Initiative zum Kauf des fraglichen Fonds sei von Frau S. ausgegangen. Sie sei am 18. September 2018 zu Herrn A. gekommen, habe in seinem Beisein den „Anlagekompass“ durchgesehen, sei auf den Fonds aufmerksam geworden und habe genau diesen haben wollen. Herr A. habe ihr eine Anlageberatung samt ihrer Dokumentation inklusive Geeignetheitsprüfung angeboten, die sie jedoch abgelehnt habe. Der Berater habe sie darauf aufmerksam gemacht, dass dieser Fonds nicht ihren Erfahrungen und Kenntnissen entspricht und habe ihr Bedenkzeit angeboten. Diese habe sie abgelehnt und den sofortigen Kauf des Fonds gewünscht.

Es sei zwar richtig, dass Frau S. das Guthaben auf ihrem Anlagekonto auf ihr Girokonto überwiesen habe in der Hoffnung, dass der Kauf dann nicht ausgeführt wird. Doch zu diesem Zeitpunkt sei der Auftrag bereits im System disponiert gewesen und eine Streichung auch aus Kulanz nicht mehr möglich gewesen.

Da es sich um einen beratungsfrei erteilten Auftrag der Kundin gehandelt habe, könnte die Postbank dem Wunsch nach Schadensersatz nicht nachkommen. Sie sei selbstverständlich ihrer Pflicht nachgekommen, die BaFin gemäß § 87 WpHG über die Beschwerde gegen den Wertpapierberater zu informieren.

Fragen über Fragen

  • Warum sollte Frau S., die in der Vergangenheit immer nur sichere Geldanlagen wollte und ihr Geld vor allem auf Sparbüchern oder allenfalls nach Beratung durch Herrn K. in sicherheitsorientierten Fonds anlegte – wie die Postbank anhand ihrer Unterlagen ja leicht feststellen kann – plötzlich unbedingt einen hoch riskanten Fonds wollen? Warum ausgerechnet zu dem Zeitpunkt, als mit Herrn A. ein neuer Berater für sie zuständig ist?
  • Warum sollte Frau S. erstmals auf eine angebotene Beratung ausdrücklich verzichten?
  • Warum sollte Frau S. die sofortige Durchführung des Kaufs verlangen und eine angebotene Bedenkzeit ablehnen?
  • Was sollte Frau S., die nur unter Zuhilfenahme einer Lupe zum Lesen imstande ist, dazu bewegen, im Beisein des Beraters den „Anlagekompass“ auf Anlagemöglichkeiten durchzusehen?
  • Warum sollte Frau S. auf den Erwerb des Fonds insistieren, obwohl ihr der Berater davon abrät und sie darauf hinweist, dass dieser Fonds nicht ihren Erfahrungen und Kenntnissen entspricht?

Will die Postbank behaupten, dass Frau S. plötzlich für den Zeitraum des ersten Gesprächs mit Herrn A. alle ihre Vorstellungen von einer sicheren Anlage ihres Geldes über Bord wirft und so gierig nach einer etwaigen zu erzielenden Rendite ist, dass sie alle Warnungen in den Wind schlägt und den sofortigen Erwerb des vermeintlich attraktiven Fonds verlangt, in den sie auch gleich 48.000 Euro investiert? Und sofort anschließend wollte sie dies dann nicht mehr und ist gleich mehrfach in die Filiale gekommen, obwohl dies mit ihren fast 90 Jahren äußerst beschwerlich war, um die Durchführung des Kaufs zu verhindern? Warum hat die Postbank nicht den ehemaligen Berater von Frau S., Herrn K., zu den Vorgängen befragt? Herr K. kennt Frau S. und ihre Anlagementalität gut und zeigte sich enttäuscht, dass Herr A. nicht zu seinen Fehlern steht. Herr A. versicherte Frau S. am 24. September 2018 im Beisein von Herrn K., dass er sich darum kümmere, dass der Erwerb des Fonds von ihrem leer geräumten Anlagekonto nicht durchgeführt werde. Warum teilt die Postbank mit, der Auftrag sei zu diesem Zeitpunkt jedoch bereits in ihrem System disponiert und eine Streichung auch aus Kulanz nicht mehr möglich gewesen? 

Beratung ohne Geeignetheitserklärung nicht zulässig

Die Postbank hat die ab 1. Januar 2018 geltenden Regelungen zur Geeignetheitserklärung offenbar nicht verstanden. Warum soll Herr A. seiner Kundin (auch) die Dokumentation der Anlageberatung angeboten haben, also ein Beratungsprotokoll, obwohl er dazu nicht verpflichtet war, sondern stattdessen nur eine Geeignetheitserklärung hätte erstellen müssen?

Im Beratungsprotokoll war der wesentliche Inhalt und der Verlauf des Gesprächs für den Kunden nachvollziehbar zu dokumentieren, während in der Geeignetheitserklärung zu erläutern ist, warum die Anlageempfehlung zu dem Kunden passt. Trotz dieser formalen Erleichterungen handelt es sich nach Angaben der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) bei der Geeignetheitserklärung nicht um ein Beratungsprotokoll „light“. Im Gegenteil: Durch weniger formale Anforderungen und mehr Flexibilität bei der Erstellung liegt der Fokus auf der gezielten Information des Kunden darüber, weshalb ihm ein bestimmtes Finanzinstrument empfohlen wurde. Damit erhält er nur die Informationen, die für ihn am wichtigsten sind – nämlich zur Prüfung der Geeignetheit der Empfehlung.

Die BaFin stellt in einem Fachartikel zum Thema Verbraucherschutz auf ihrer Internetseite die Neuerungen der Geeignetheitserklärung im Vergleich zum vorher geltenden Beratungsprotokoll dar. Und dort sagt sie ausdrücklich, dass auf die Geeignetheitserklärung nicht verzichtet werden kann. Und auch aus den zugrunde liegenden gesetzlichen Vorschriften (§ 64 Abs. 4 WpHG und Artikel 54 Absatz 12 der Delegierten Verordnung (EU) 565/2017) ist zu entnehmen, dass eine Beratung ohne Geeignetheitserklärung nicht zulässig ist.

Könnte sich eine Bank dieser Verpflichtung entledigen, indem sie – ohne sich dies vom Kunden auch nur schriftlich bestätigen zu lassen – behauptet, es sei keine Beratung erfolgt, der Kunde habe keine Beratung gewünscht und habe das Finanzinstrument beratungsfrei erwerben wollen, so wären alle Bemühungen um einen verbesserten Anlegerschutz ad absurdum geführt. 

Die über den konkreten Fall hinaus reichende Frage lautet daher: Kann sich eine Bank mit der Behauptung, der Auftrag eines Kunden sei beratungsfrei erteilt worden, von der Verpflichtung, eine Geeignetheitserklärung zu erstellen, befreien?

Wir meinen: Nein! Der Bundesgerichtshof hat schon 2011 entschieden, dass eine Bank regelmäßig Anlageberaterin und nicht lediglich -vermittlerin ist. Das hat zur Konsequenz, dass die Postbank im Prozess die Beweislast dafür trägt, dass hier ein absoluter Ausnahmefall vorliegt, was ihr angesichts der gesamten Begleitumstände wohl kaum gelingen kann. Herr A. wird sich angesichts der strafrechtlichen Konsequenzen wohl hüten, vor Gericht eine Falschaussage zu machen.

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