Wie bedenklich ist Titandioxid und wo ist der Stoff enthalten?
Die Europäische Kommission hat ein Verbot für den Farbstoff Titandioxid in Lebensmitteln erlassen. Denn der Stoff, der für einen schönen Glanz und strahlend weiße Farbe sorgt, kann möglicherweise das Erbgut schädigen. Doch es gibt ein Problem: In Arzneimitteln und Zahnpasta ist der Farbstoff weiterhin erlaubt und auch in lange haltbaren Lebensmitteln kann er derzeit noch zu finden sein. Wir beantworten die wichtigsten Fragen.

Das Wichtigste in Kürze
- Titandioxid kann nach neuester Bewertung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) vermutlich das Erbgut schädigen.
- Die Europäische Kommission hat am 14. Januar 2022 ein Verbot für Titandioxid als Lebensmittelzusatzstoff erlassen, das Anfang August 2022 endgültig in Kraft getreten ist.
- Seitdem dürfen Hersteller in der EU keine Lebensmittel und Nahrungsergänzungsmittel mehr produzieren, die Titandioxid enthalten. Bereits hergestellte Waren können allerdings bis zum Ende ihres jeweiligen Mindesthaltbarkeitsdatums, was weit in der Zukunft liegen kann, weiter verkauft werden.
- In Arzneimitteln oder Kosmetika wie Zahnpasta (auch für Kinder) ist Titandioxid weiterhin ohne Einschränkungen erlaubt.
- Titandioxid wird bei Lebensmitteln meist mit der E-Nummer 171 aufgeführt, in Kosmetika oder bei Arzneimitteln wird der Stoff unter Verwendung des Color Index CI 77891 oder als „Titanium Dioxide“ deklariert.
Titandioxid macht Zahncreme strahlend weiß, verleiht silberfarbenen Kugeln für die Torte einen schönen Glanz und gibt der Salatsoße eine appetitliche Farbe. Mehr als 50 Jahre lang wurde der Farbstoff Lebensmitteln zugesetzt. Doch seit Anfang August 2022 darf der Stoff nicht mehr in Lebensmitteln verwendet werden. Eingeatmet soll das weiße Pulver Krebs begünstigen, beim Schlucken könnten Schäden am menschlichen Erbgut entstehen. In Medikamenten und Kosmetika ist Titandioxid trotzdem weiterhin erlaubt. Wir beantworten wichtige Fragen rund um den viel diskutierten Stoff.
Was ist Titandioxid?
Titandioxid (Titanium Dioxide) ist ein weißes, mineralisches Farbpigment. In Lebensmitteln war es lange Zeit als Zusatzstoff E 171 zugelassen. Unter dem Color Index CI 77891 wird der Stoff in Kosmetika wie zum Beispiel Zahnpasta oder Sonnenmilch verwendet. Ein weiterer Name ist Pigment White 6.
Wo wird Titandioxid eingesetzt?
Titandioxid wird vor allem bei Produkten eingesetzt, die schön weiß sein oder eine kräftige Farbe haben sollen. Glänzende und glitzernde Farbeffekte sind mit diesem Pigment auch möglich. Mit rund 90 Prozent findet der Stoff daher als Bestandteil von Farben, Lacken, Papier und Kunststoffen die größte Verwendung. Doch auch in Medikamenten und Kosmetika kommt der Farbstoff zum Einsatz. Bis Anfang August 2022 war Titandioxid auch in Lebensmitteln (z.B. Süßwaren, Backdekor, Gebäck, Soßen) und Nahrungsergänzungsmitteln erlaubt. Manche dieser Produkte sind noch immer im Handel zu finden, da der Abverkauf der Produkte bis zum Ende der Mindesthaltbarkeit erlaubt ist. Das Übersichtsbild zeigt einige Beispiele. In Kosmetikprodukten, zu denen auch Zahnpasta zählt, darf das weiße Pigment nach wie vor eingesetzt werden. Ökotest berichtet, dass 15 von 48 Produkten den Stoff noch enthielten. Viele Hersteller planen jedoch die Umstellung.
Seit wann ist Titandioxid verboten?
Am 14. Januar 2022 hat die Europäische Kommission ein Verbot für Titandioxid in Lebensmitteln erlassen. Nach einer sechsmonatigen Übergangszeit ist Titandioxid seit Anfang August 2022 in Lebensmitteln verboten. Lebensmittel, die Titandioxid enthalten, dürfen allerdings noch bis zum Ende des Mindesthaltbarkeitsdatum abverkauft werden.
Bio-Lebensmittel durften auch bisher kein Titandioxid enthalten. Nach der EG-Öko-Verordnung ist die Verwendung von Lebensmittelzusatzstoffen wie Farbstoffen, Süßstoffen, Stabilisatoren und Geschmacksverstärkern für Bio-Lebensmittel komplett untersagt.
In Kosmetika (Zahnpasta, Sonnenmilch) und Arzneimitteln ist Titandioxid weiterhin erlaubt. Laut Medienberichten wurde noch kein Verbot für Titandioxid in Medikamenten erlassen, da weitreichende Engpässe bei Medikamenten befürchtet werden. Die Pharmaindustrie soll sich allerdings aufgefordert fühlen, Alternativen zu Titandioxid zu entwickeln und einzusetzen.
Wie gefährlich ist Titandioxid?
Titandioxid ist vermutlich erbgutschädigend. Zu diesem Schluss kommt die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) im Mai 2021. Titandioxid könne in Lebensmitteln demnach nicht mehr als sicher angesehen werden.
Die EFSA hat bei ihrer Bewertung vor allem genotoxische Effekte betrachtet. Einige wissenschaftliche Studien deuten darauf hin, dass Titandioxid die DNA-Stränge brechen lassen und so Chromosomenschäden (verändertes Erbgut) verursachen kann.
Gleichzeitig stellt die Partikelgröße ein Problem dar. Titandioxid deckt bei einer Teilchengröße zwischen 100 und 300 Nanometern besonders gut und entfaltet seine Brillanz. Doch Nanopartikel sind so winzig, dass sie in menschliche Zellen gelangen können. Wie genau sich die kleinen Partikel im menschlichen Körper verhalten, ist noch nicht abschließend geklärt. Fakt ist: Produkte mit Titandioxid enthalten auch Nanopartikel. In welcher Menge lässt sich in der Regel nicht nachvollziehen.
Wie gelangt Titandioxid in den Körper?
Da Titandioxid in verschiedenen Bereichen verwendet wird, müssen bei der gesundheitlichen Bewertung alle Aufnahmewege berücksichtigt werden.
Durch den Verdauungstrakt (oral) gelangt Titandioxid als Zusatzstoff mit E-Nummer (E171) über Lebensmittel und Nahrungsergänzungsmittel sowie über Medikamente in unseren Körper. Über Lebensmittel aufgenommenes Titandioxid ist vermutlich erbgutschädigend und nicht sicher.
Ebenso problematisch ist die Aufnahme von Titandioxid (auch in Nanopartikelgröße) durch Einatmen über die Atemwege (inhalativ). In Tierstudien haben tief eingeatmete Titandioxidpartikel zu chronischen Entzündungen geführt. Bei extrem hoher Titandioxidkonzentration über einen sehr langen Zeitraum konnte man sogar die Bildung von Lungentumoren beobachten. 2019 hat die Europäische Kommission daher beschlossen, dass Titandioxid in Pulverform unter bestimmten Umständen einen entsprechenden Warnhinweis tragen soll.
Eine Aufnahme über die Haut (transdermal) ist nach derzeitigem Wissensstand nicht möglich. Dies gilt sowohl für intakte als auch für durch Sonnenbrand geschädigte Haut. Der Einsatz von Titandioxid als CI 77891 oder Titanium Dioxide in Kosmetika gilt demnach derzeit als risikofrei.
Gut zu wissen
Auf Zahnpasta ist die gesundheitliche Unbedenklichkeit von Kosmetika – unserer Einschätzung nach – nicht einfach zu übertragen. Die Schleimhäute im Mund sind anders aufgebaut als die Haut am restlichen Körper. Besonders bei Kinderzahnpasta, die oft auch heruntergeschluckt wird, sehen wir den Einsatz von Titandioxid daher ebenso kritisch wie bei Lebensmitteln. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) kann noch nicht beurteilen, ob die Bewertung der EFSA zu Titandioxid als Lebensmittelzusatzstoff auch auf die Verwendung in Zahnpasta übertragen werden kann. Es soll eine Risikobewertung durchgeführt werden.