Schlechter Zahnersatz: Recht auf Wechsel des Zahnarztes bestätigt
Krankenkassen müssen ihren Versicherten den Wechsel des Zahnarztes oder der Zahnärztin bewilligen, wenn ein Zahnersatz unbrauchbar oder eine Nachbesserung für die Betroffenen nicht zumutbar ist. Das sagen die Gerichte.
Das Wichtigste in Kürze
- Krankenkassen müssen einen Zahnarztwechsel genehmigen, wenn ein Zahnersatz unbrauchbar ist oder eine Nachbesserung unzumutbar erscheint.
- Gerichte haben entschieden, dass die freie Arztwahl und die Qualität der Behandlung Vorrang vor wirtschaftlichen Erwägungen der Krankenkassen haben, insbesondere wenn Nachbesserungen fehlschlagen.
- Die Verbraucherzentrale Hamburg berät betroffene Patientinnen und Patienten und gibt Hilfestellung.
Krankenkassen versuchen immer wieder, Patientinnen und Patienten den Wechsel der Zahnarztpraxis bei Problemen zu verweigern, und argumentieren mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot, der Verpflichtung zur Mängelbeseitigung bis hin zur Neuanfertigung im Rahmen der Gewährleistungsfrist usw. – und sie bezweifeln, dass das Vertrauensverhältnis zwischen Patient bzw. Patientin und Zahnarzt oder -ärztin gestört ist – auch wenn der Zahnersatz unbrauchbar ist oder bereits mehrmals erfolglos nachgebessert wurde. Doch die Gerichte sehen das anders.
Patientengeschichte
Frau S. lässt sich beim Zahnarzt Dr. K zwei Brücken im Frontzahnbereich anfertigen. Die sitzen jedoch nicht richtig, spannen und drücken und verursachen Kopfschmerzen, die Aussprache ist gestört, Ober- und Unterkiefer schließen nicht mehr, die Zähne stehen schräg und die vereinbarte Keramikverblendung fehlt. Außerdem waren dem Zahnarzt während des Beschleifens der Zähne, die die Brücke tragen sollen, mehrere Geräte ausgefallen und er schickte die Patientin für zwei Tage mit fünf teilweise geschliffenen Zähnen nach Hause, bis seine Maschinen wieder funktionierten.
Frau S. weigert sich, die Brücken endgültig eingliedern zu lassen, und bittet ihre Krankenkasse DAK, einem Wechsel des Zahnarztes zuzustimmen. Die Kasse lässt die Arbeit des Dr. K begutachten. Der Gutachter stellt fest, die Brücken seien mangelhaft und müssten neu angefertigt werden. Die Kasse lehnt jedoch den Behandlerwechsel ab, da Dr. K zur Neuanfertigung bereit und außerdem im Rahmen der zweijährigen Gewährleistung zur kostenlosen Nachbesserung verpflichtet sei.
Frau S. will aber nicht mehr zu Dr. K gehen, denn der hat die Brücken als fehlerfrei bezeichnet und gemeint, sie müsse sich nur daran gewöhnen. Von ihm erwartet sie keine mängelfreie Arbeit mehr. Die DAK jedoch lehnt ihren formellen Widerspruch ab – mit denselben Gründen, mit denen sie schon die Bitte um Behandlerwechsel abgelehnt hat. Sie sieht keinen zwingenden Grund, warum die Nachbesserung durch Dr. K unzumutbar sein sollte, außerdem gelte das Wirtschaftlichkeitsgebot. Denn die Krankenkasse hat Dr. K bereits bezahlt – obwohl die Brücken noch gar nicht endgültig eingegliedert, die Arbeit also von der Patientin noch gar nicht abgenommen worden ist.
Das sagen die Gerichte
Das Sozialgericht gibt Frau S. Recht. Es sagt, die freie Arztwahl und der Charakter der ärztlichen Behandlung als „Dienstleistung höherer Art“, die jederzeit mit sofortiger Wirkung gekündigt werden kann, sei vorrangig vor der Verpflichtung des Zahnarztes zur Nachbesserung innerhalb der zweijährigen Gewährleistungsfrist. Auch das Wirtschaftlichkeitsgebot müsse hinter dem Anspruch der Patientin auf einen einwandfreien Zahnersatz zurückstehen.
Auch das Landessozialgericht verurteilt die Kasse, die in Berufung gegangen ist, den Behandlerwechsel zu bewilligen und den Festzuschuss ein zweites Mal zu bezahlen. Außerdem könne sich die Krankenkasse den bereits an Dr. K bezahlten Festzuschuss zurückholen, den sie vor der endgültigen Eingliederung des Zahnersatzes schon überwiesen hatte.
Das Gericht hat klar gestellt. Die Weiterbehandlung ist unzumutbar, wenn
- der Zahnersatz unbrauchbar ist und
- entweder (2a) eine Neuanfertigung notwendig oder (2b) die Nachbesserung für den Patienten unzumutbar ist. Im Fall 2a ist die Unzumutbarkeit automatisch gegeben, im Fall 2b muss sie dargelegt werden.
Auch ein weiteres Argument der DAK hat das Gericht eindeutig verworfen: Durch die Einführung der Festzuschüsse habe sich die Lage geändert. Frau S. habe einen „gleichartigen“ Zahnersatz gewählt, also mehr als die Regelversorgung (keramische Verblendungen an den Innenseiten von Kronen und Brücken werden von der Kasse nicht bezahlt), und folglich müsse für den Mangel nicht die Krankenkasse einstehen, sondern die Patientin müsse sich selbst mit dem Zahnarzt streiten. Dem hält das Gericht entgegen, hier sei der Mangel an dem Teil des Zahnersatzes aufgetreten, der der Regelversorgung entspricht. Dadurch sei, wie bei der Regelversorgung, die Krankenkasse verpflichtet, für die Beseitigung des Mangels zu sorgen.
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