Krankengeld: Viele Fragen Ihrer Kasse müssen Sie nicht beantworten
Wer droht, in den Krankengeldbezug zu rutschen, oder bereits Krankengeld erhält, wird häufig von der Krankenkasse kontaktiert und nach vielen Informationen gefragt. Lesen Sie, was Krankenkassen dürfen und was nicht (sondern wenn überhaupt der Medizinische Dienst) und helfen Sie uns, den Kassen auf die Finger zu klopfen.
Das Wichtigste in Kürze
- Gesetzlich Krankenversicherte, die absehbar Krankengeld beziehen werden oder bereits beziehen, werden regelmäßig von ihrer Krankenkasse kontaktiert und nach Informationen gefragt.
- Beratungsgespräche der Verbraucherzentrale zeigen, dass sich nicht wenige Versicherte dadurch unter Druck gesetzt fühlen. Man muss den Eindruck gewinnen, dass dies von den Krankenkassen nicht nur billigend in Kauf genommen wird, sondern sogar gewünscht ist.
- Das „Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung“ schränkt die Datenerhebung durch Krankenkassen beim Bezug von Krankengeld deutlich ein. Es gibt nur noch wenige Informationen, die die Krankenkassen von Krankengeldbezieherinnen und -beziehern einholen dürfen. Telefonanrufe sind lediglich nach vorheriger Zustimmung erlaubt.
- Einmal pro Monat bietet die Verbraucherzentrale einen kostenlosen Online-Vortrag zum Thema Krankengeld an. ⇒ Jetzt anmelden
Wenn man in Deutschland wegen einer Erkrankung arbeitsunfähig ist, hat man bis zu 78 Wochen lang Anspruch auf Krankengeld. In den ersten sechs Wochen erhält man jedoch in der Regel die sogenannte Lohnfortzahlung im Krankheitsfall von seinem Arbeitgeber, erst danach wird bei gesetzlich Krankenversicherten das sogenannte Krankengeld gezahlt. Dieses ist niedriger als der Lohn bzw. die Lohnfortzahlung – es beträgt 70 Prozent des Bruttolohns, maximal 90 Prozent des Nettolohns.
Wonach darf mich die Kasse fragen?
Unstrittig ist, dass Krankenkassen zur Auszahlung des Krankengeldes bestimmte Informationen erfragen müssen und auch dürfen. Dazu gehören beispielsweise die Kontonummer und die Höhe des Gehalts. Sie müssen auch die Möglichkeit haben, Missbrauch vorzubeugen und den Behandlungserfolg sicherzustellen. Bei Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit oder am Behandlungserfolg können sie den Medizinischen Dienst zur Begutachtung heranziehen. Ihre Krankenkasse darf bezüglich der Frage, ob sie den Medizinischen Dienst zur Begutachtung der Arbeitsunfähigkeit einschaltet, aber nur die Informationen nutzen, die sie bereits rechtmäßig erhoben hat. Sie darf Sie nur in zwei Ausnahmefällen kontaktieren und diese sind:
- Sie darf nachfragen, ob eine Wiederaufnahme Ihrer Arbeit absehbar ist und gegebenenfalls zu welchem Zeitpunkt diese voraussichtlich erfolgt.
- Sie darf Sie fragen, ob es konkret bevorstehende diagnostische und therapeutische Maßnahmen gibt, die einer Wiederaufnahme der Arbeit entgegenstehen.
Beide Fragen sollen offensichtlich dazu dienen, eine unnötige Beauftragung des Medizinischen Dienstes zu vermeiden. Die Tatsache, dass die Kassen diese Fragen stellen dürfen, bedeutet übrigens nicht, dass Sie jederzeit eine belastbare, verbindliche und allgemeingültige Antwort haben müssen. Antworten Sie ehrlich, was aber auch bedeutet, dass Sie die Subjektivität Ihrer Selbsteinschätzung, ihre Wandelbarkeit und ihre doch oft engen Grenzen formulieren dürfen. Mit anderen Worten: Wenn Sie die Antworten auf die Fragen wirklich nicht wissen, oder glauben, dass es schon morgen schon anders sein könnte, dann dürfen Sie das auch sagen.
Darüber hinaus dürfen die Krankenkassen in einem engen Rahmen bei den Leistungserbringern (bspw. Ihrer Ärztin bzw. Ihrem Arzt), die Ihnen Ihre Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) ausgestellt haben, Informationen erheben, um
- die Diagnosen auf der AU-Bescheinigung zu konkretisieren,
- zu erfahren, welche weiteren diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen vorgesehen sind,
- über Art und Umfang der zuletzt ausgeübten Tätigkeit Kenntnis zu erlangen oder
- zu erfahren, in welchem Umfang ALG I-Empfänger der Agentur für Arbeit zur Verfügung stehen.
Wonach darf die Krankenkasse nicht (mehr) fragen?
Das „Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung“ verbietet Ihrer Krankenkasse jede weitere Datenerhebung oder Informationsbeschaffung, die über das oben beschriebene Maß hinausgeht: Sie sind also nicht verpflichtet, Angaben zu machen, die nicht unter die beschriebenen Ausnahmen fallen. Früher übliche (wenn auch in rechtlichen Graubereichen angesiedelte) Fragen, zum Beispiel nach einer Selbsteinschätzung Ihres Gesundheitszustandes, nach der Gestaltung Ihres Arbeitsplatzes oder einem Rentenantrag, sind nicht mehr erlaubt. Dies gilt auch für Fragen nach Problemen beim Arbeitsplatz, familiären Ärgernissen oder Urlaubsplänen, die natürlich schon immer klar rechtswidrig waren.
Regelmäßige Online-Sprechstunde
Ob Burnout, Unfall oder komplizierte Operation – wer längere Zeit arbeitsunfähig ist, hat meist einen Anspruch auf Krankengeld von seiner gesetzlichen Krankenkasse. Doch der Bezug der Leistung geht oft mit Fragen einher. Die wichtigsten beantworten wir regelmäßig in einem kostenlosen Online-Vortrag an. Interessiert? Dann melden Sie sich einfach für eine der geplanten Veranstaltungen an. ⇒ Zur Anmeldung
Auf welchem Wege darf mich die Krankenkasse kontaktieren? Darf mich die Kasse anrufen?
Ihre Krankenkasse darf die Informationen nur schriftlich – auf digitalem Wege (E-Mail) oder per Brief – von Ihnen einholen. Nur wenn Sie einer telefonischen Erhebung schriftlich oder elektronisch zugestimmt haben, ist auch ein Telefonat möglich. Dieses muss von der Krankenkasse protokolliert werden – und Sie haben ein Auskunftsrecht über das Protokoll, auf das Ihre Kasse Sie auch hinweisen muss. Schon vor der Gesetzesnovelle waren Sie nicht verpflichtet, telefonisch Auskunft zu geben – die Kasse durfte es aber versuchen. Wir empfehlen Ihnen, keine Erlaubnis für eine telefonische Kontaktausnahme zu geben; zu oft berichten uns Betroffene in der Beratung von überrumpelnden oder gar aggressiven Anrufen.
Was darf der Medizinische Dienst fragen?
Hat die Krankenkasse Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit oder am voraussichtlichen Behandlungserfolg, kann sie diese durch den Medizinischen Dienst (MD) überprüfen lassen. Allerdings können die Kassen ihre Zweifel nur auf der Grundlage der ihnen vorliegenden Informationen (siehe oben) formulieren und so die Fälle auswählen, die sie dem Medizinischen Dienst zur Überprüfung vorlegen möchten. Die Feststellung einer Arbeitsunfähigkeit (oder auch deren Wegfall) ist eine ärztliche Aufgabe, die von den Krankenkassen gar nicht geleistet werden kann – dafür gibt es den MD. Der Medizinische Dienst darf Gesundheitsdaten erfragen – allerdings nur, soweit dies im konkreten Einzelfall erforderlich ist (§ 275 SGB V).
Beispiel
Frau M. hatte im September 2017 von ihrer Krankenkasse, der HEK, ein Schreiben erhalten, dem ein zweiseitiger Fragebogen beigefügt war, der unter anderem Fragen zum medizinischen Verlauf und zur Situation am Arbeitsplatz enthielt. In dem Schreiben heißt es, der Fragebogen sei in Zusammenarbeit mit dem Medizinischen Dienst erstellt worden. Frau M. wurde gebeten, den Fragebogen innerhalb von zehn Tagen ausgefüllt und unterschrieben an die Krankenkasse zurückzusenden. Als dies nicht geschah, wurde in einem weiteren Schreiben dessen Zusendung sogar unter Fristsetzung von weiteren zehn Tagen angemahnt. Die Patientin hatte den Eindruck, dass ihr bei Nichtbeantwortung sofort das Krankengeld gestrichen würde. Die HEK hatte mit keiner Silbe darauf hingewiesen, dass das Ausfüllen des Fragebogens freiwillig und die Einwilligung zur Datennutzung jederzeit widerruflich sei.
Wann darf auch die Krankenkasse mehr Fragen stellen?
Wenn Sie der individuellen Beratung und Hilfestellung nach §44 Abs. 4 SGB V zugestimmt haben (oft auch „Krankengeldfallmanagement“ genannt) zugestimmt haben, gelten unsere Hinweise nicht. Die Krankenkasse kann Ihnen dann weitere Fragen stellen und Sie im Zweifel auch anrufen. Die individuelle Beratung und Hilfestellung nach §44 Absatz 4 SGB V umfasst Leistungen und Unterstützungsangebote zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit. Zu denken ist hier an die Beratung über alternativer Behandlungsmethoden oder die Unterstützung bei der Suche nach geeigneten Leistungserbringern. Über Inhalt, Ziele, Art und Umfang der Beratung, ihre Freiwilligkeit, die damit verbundene Verarbeitung personenbezogener Daten und die Möglichkeit des Widerrufs der Einwilligung muss die Krankenkasse die Versicherten vorab schriftlich informieren – und die Versicherten müssen schriftlich eingewilligt haben. Dies ist ein Recht der Versicherten, aus dessen Ablehnung keine Nachteile entstehen dürfen.
Leider nutzen einige Krankenkassen die Vorschrift, um an Daten der Versicherten zu gelangen, etwa um bei Bezug von Krankengeld die Leistungsdauer zu verkürzen oder sie zur Stellung eines Reha- oder Rentenantrags zu verpflichten, ohne auf das Verweigerungsrecht hinzuweisen. Im Einzelfall lassen sie dabei sogar die Grenzen zwischen den getrennten Erhebungsbefugnissen von Krankenkassen und dem MD verschwimmen.
Wichtig: Sollten Sie kein „Krankengeldfallmanagement“ mehr wollen, können Sie Ihre Zustimmung jederzeit widerrufen.
Danke für ihren Hinweis
Das im Jahr 2021 in Kraft getretene „Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung“ soll Ihre Rechte als Patientin oder Patient stärken. Sollten Sie die Erfahrung machen, dass sich Ihre Krankenkasse nicht an Regelungen hält, senden Sie uns eine Mail an: patientenschutz@vzhh.de. Informieren Sie bitte außerdem den Bundesdatenschutzbeauftragten.