Fairtrade: Wann sind Schokolade, Kaffee, Zucker und Co wirklich fair?
Viele Menschen wollen Produkte kaufen, deren Herstellungsbedingungen auch aus Sicht der Produzenten fair und gerecht sind. Nicht nur Eine-Welt-Läden, sondern auch Supermärkte und sogar Discounter bieten solche Fair-Trade-Produkte an. Doch welchen Siegeln kann man vertrauen?
Das Wichtigste in Kürze
- Die Begriffe „fair“ und „Fair Trade“ sind gesetzlich nicht geschützt. Unabhängige Siegel kennzeichnen Produkte aus fairem Handel. Diese sind in vielen Geschäften erhältlich.
- Viele seriöse Fair-Trade-Label haben ähnliche Anforderungen an die Produkte. Nicht alle erlauben den sogenannten Mengenausgleich.
- Lebensmittel, die als Fair-Trade-Produkte verkauft werden, enthalten unterschiedlich hohe Anteile an fair produzierten und gehandelten Zutaten.
Haben Sie sich beim Kauf eines fair gehandelten Produktes schon einmal gefragt, ob die Zutaten wirklich „fair” sind? Und was „fair” bei diesem Produkt eigentlich bedeutet? Das ist gar nicht so einfach, aber wir geben Ihnen einen Überblick. Eine gesetzlich geregelte Definition des Begriffs „Fair Trade“ oder ein einheitliches staatliches Siegel gibt es leider nicht. Label, die für fair gehandelte Waren stehen, können unterschiedliche Kriterien haben. Die Dachverbände des Fairen Handels haben jedoch gemeinsame Mindeststandards formuliert, an die sich die Mitglieder der Organisationen halten müssen. Diese werden regelmäßig kontrolliert. Dazu gehören:
- garantierte Mindestpreise und langfristige Abnahmeverträge
- die Förderung kleinbäuerlicher Erzeugergemeinschaften statt Gewinnabschöpfung durch Zwischenhändler
- die Einhaltung nationaler und internationaler Arbeitsschutzrichtlinien wie Verbot illegaler Kinderarbeit, sichere Arbeitsbedingungen etc.
- Solidaritätszuschläge für Alterssicherung, Schulbildung der Kinder und ähnliches
Bei firmeneigenen Kennzeichnungen ist manchmal schwer zu erkennen, was sich tatsächlich hinter dem Begriff „fair” verbirgt. Leider gibt es derzeit eine Vielzahl von Logos, die Fair-Trade-Produkte auszeichnen sollen. Bei einigen Unternehmen sind die Vorgaben laxer. Andere – wie etwa die Marken Gepa und El Puente – haben aber auch besonders strenge Anforderungen und bieten beispielsweise ausschließlich Produkte ohne Mengenausgleich (dazu weiter unten mehr Infos) an.
Welche Unterschiede gibt es beim Fairtrade-Label?
Eines der bekanntesten Siegel ist das Fairtrade-Siegel. Produkte, die dieses Siegel tragen, stammen von Herstellern bzw. Unternehmen, die sich nach den international gültigen Richtlinien von Fairtrade International haben zertifizieren lassen. Das Siegel wird von der Fairtrade Labelling Organization International (FLO) vergeben. Das Fairtrade-Siegel gibt es in unterschiedlichen Ausführungen. Für alle als fair gekennzeichneten Zutaten gelten die gleichen Kriterien. Die Label unterscheiden sind im Anteil der zertifizierten Zutaten:
- Logo auf schwarzem Hintergrund: Das Siegel kennzeichnet Produkte, die zu 100 % aus fairer Produktion stammen.
- Logo auf schwarzem Hintergrund mit Pfeil: Das Logo mit dem Pfeil ist auf Mischprodukten oder Produkten mit Mengenausgleich zu finden. Bei Mischprodukten mit diesem Siegel müssen alle Zutaten, die unter Fairtrade-Bedingungen erhältlich sind, Fairtrade-zertifiziert sein. Der Pfeil weist auf weitere Informationen zum Fair-Trade-Anteil auf der Rückseite des Produkts hin.
- Logo auf weißem Hintergrund mit genanntem Rohstoff: Das Siegel kennzeichnet Produkte, bei denen ein einzelner Rohstoff – beispielsweise Kakao aus fairem Handel bezogen wird.
Fairtrade International legt für verschiedene Rohstoffe übrigens einen Mindestpreis fest. Fällt der Weltmarktpreis unter den Fair-Mindestpreis, wird Produzenten trotzdem weiterhin der Mindestpreis gezahlt. Steigt der Weltmarktpreis, wird der höhere Preis ausgezahlt.
Wie viel „fair“ steckt in Fair-Trade-Produkten?
Bei Produkten, die nur aus einer Zutat bestehen (Mono-Produkte) wie Kaffeepulver, Zucker oder Reis müssen 100 Prozent des Produktes aus fairem Handel bezogen werden. Bei Mischprodukten, wie beispielsweise Keksen, wird ein Mindestanteil für die fair zu produzierenden Zutaten festgelegt. Beim bekannten Fairtrade-Label beträgt der Mindestanteil 20 Prozent. Ein als fair ausgelobtes Produkt kann also auch nur zu einem Fünftel aus fair gehandelten Zutaten bestehen. Das entspricht unserer Auffassung nach nicht dem, was Verbraucherinnen und Verbraucher erwarten, wenn sie ein Fairtrade-Siegel sehen. Umso wichtiger ist es, transparent über den den tatsächlichen Anteil fair gehandelter Zutaten zu informieren.
Auf den ersten Blick mag es irritieren, wenn nur einzelne Zutaten aus fairem Handel stammen. Doch nicht für alle Lebensmittel sind konkrete Fair-Trade-Richtlinien definiert, so zum Beispiel nicht für Milch, Eier oder Aromen. Hinzu kommt, dass der Faire Handel vor allem die Länder des Globalen Südens unterstützen soll. Eine Prämie, mit der beispielsweise die Infrastruktur oder das Bildungssystem aufgebaut wird, wäre für Produzenten in Deutschland eigentlich gar nicht nötig.
Trotzdem gibt es insbesondere bei Milch einige Produkte, die mit dem Wort „fair“ ausgelobt wurden. Auch hier steht das Wort „fair“ für eine bessere Entlohnung der produzierenden Betriebe, denn viele Milchviehbetriebe können mit dem Verkauf von Milch nicht mal ihre Kosten decken. Das Unternehmen Gepa wirbt beispielsweise damit, für die Produktion seiner Schokolade nicht nur fair gehandelten Kakao zu verwenden, sondern auch faire Bio-Milch. Die Verbraucherzentralen haben das Faire-Milch-Angebot genauer geprüft.
Was bedeutet Mengenausgleich?
Aufgrund der kleinbäuerlichen Strukturen können einige wichtige Rohstoffe wie Kaffee, Kakao, Zucker, Saft oder Tee „physisch“ nicht immer bis an ihren genauen Ursprungsort zurückverfolgt werden. Faire und konventionell produzierte Rohstoffe werden im Erzeugerland vermengt, und der faire Anteil wird berechnet. So kann es sein, dass eine Packung Kaffee mit Fairtrade-Logo kein einziges Gramm fair gehandelten Kaffee enthält. Dieser Kaffee befindet sich das physisch in einer anderen Packung. Die Menge des als fair deklarierten Kaffees erhöht sich dadurch nicht. Werden in einem gemischten Container beispielsweise 10 Prozent Fair-Trade-Kaffeebohnen und 90 Prozent nicht fair gehandelte Bohnen zusammen transportiert, ist nach dem Transport nicht mehr zu unterschieden, welche Bohnen fair gehandelt sind und welche nicht. Wird der Kaffee in verkaufsfertige Packungen abgefüllt, dürfen 10 Prozent der Packungen ein Fair-Trade-Logo tragen und der Rest nicht.
Fairtrade-Produkte mit Mengenausgleich müssen entsprechend gekennzeichnet werden. Auf dem Siegel ist ein Pfeil abgebildet, der auf weitere Informationen auf der Rückseite der Packung verweist, wenn es sich um ein Produkt mit Mengenausgleich oder um ein Mischprodukt handelt. Für uns ist der Mengenausgleich nur eine Übergangslösung. Hier sind verbraucherfreundliche Verbesserungen notwendig, damit die Fair-Trade-Kennzeichnung nicht an Glaubwürdigkeit einbüßt.
Wofür genau steht „Fair Trade“
Die Auslobung „Fair Trade“ bezieht sich in erster Linie auf die Arbeitsbedingungen, unter denen die Produkte oder Rohstoffe hergestellt werden. Viele Fair-Trade-Label beziehen auch ökologische Kriterien mit ein; der Schwerpunkt liegt jedoch – anders als beispielsweise bei den Bio-Siegeln – auf den sozialen Rahmenbedingungen. Doch auch wenn Fair-Trade-Siegel selbst keine Bio-Label sind, werden umweltverträgliche Anbausysteme im Fairen Handel oft gefördert. Das Label Naturland fair zum Beispiel kombiniert soziale und ökologische Kriterien.
Rainforest Alliance kein Fair-Trade-Zeichen: Darüber hinaus gibt es Label wie Rainforest Alliance, zu dem mittlerweile das früher weitverbreitete UTZ-Label gehört. Hinter diesem Siegel steckt ein Zertifizierungsprogramm mit Mindeststandards für mehr Nachhaltigkeit in der Produktion. Das Label steht immer wieder in der Kritik, weil die Vorgaben teilweise zu lasch sind und die Kontrollen unzureichend sein sollen. Ein Bio-Siegel definiert beispielsweise deutlich höhere ökologische Standards. Außerdem gibt es keine Mindestpreise für die beteiligten Landwirte wie bei Fair Trade.
Ein ⇒ Kaffee-Test der Stiftung Warentest im Herbst 2024 hat zuletzt gezeigt, wie groß die Notwendigkeit von fairen und transparenten Lieferketten ist und dass namhafte Hersteller diese oft nicht benennen (können), obwohl sie sich das Thema Nachhaltigkeit auf die Fahnen geschrieben haben. Die überprüften Kaffeeunternehmen sollten erklären, aus welchem Land und dort von welcher Plantage oder Kooperative der größte Anteil ihres Rohkaffees für ihren Filterkaffee stammt. Melitta und Jacob's reichten keine vollständigen Informationen ein. Dallmayr, Tchibo und J. J. Darboven beantworteten die Frage zwar, lieferten aber nur wenige Belege für ihre Angaben. Vier Fair-Trade-und Bio-Anbieter schnitten im Gegensatz dazu sehr gut ab.
Unser Rat
Den Preis für billige Produkte zahlen meistens die Menschen, die sie herstellen. Niedrige Löhne, gefährliche Arbeitsbedingungen und Kinderarbeit sind Teil des Systems. Wer Produkte mit Fairtrade-Siegel kauft, macht einen Schritt in die richtige Richtung. In der Regel werden die Produzenten der Zutaten besser bezahlt und der Kauf unterstützt sichere Arbeitsbedingungen und fördert die nachhaltige Produktion vor Ort. Dennoch sollte man bei den Siegeln genau hinschauen. Wie hoch ist der Anteil fair gehandelter Zutaten wirklich? Ist das Label bekannt oder doch nur ein aufgehübschtes Unternehmenslogo? Gibt es weitere Informationen zum Fair-Trade-Engagement? Wünschenswert wäre ein staatliches Label, um verlässliche Klarheit für Verbraucherinnen und Verbraucher auf einen Blick zu schaffen.
Übrigens: Hamburg ist Fair-Trade-Stadt. Auf der Website fairtradestadt-hamburg.de finden sich viele weitere Informationen zum Thema und auch ein Stadtplan, mit dem man Fair-Trade-Angebote in der Hansestadt ausfindig machen kann.