Freihandelsabkommen: Schmeckt's?
Freihandelsabkommen begünstigen den freien Handel und können Arbeitsplätze schaffen, sagen die Befürworter solcher Verträge. Doch die Abkommen haben teils gravierende Auswirkungen auf Mensch und Umwelt. Wir haben uns den MERCOSUR-Vertrag mit einigen Ländern Südamerikas genauer angeschaut.
Das Wichtigste in Kürze
- Das Freihandelsabkommen MERCOSUR zwischen der Europäischen Union und Ländern Südamerikas (Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay) kann zukünftig Auswirkungen auf das Lebensmittelangebot in Europa und auf den Klimaschutz haben.
- Eine von der Verbraucherzentrale durchgeführte Befragung von Supermärkten und Restaurants hat ergeben, dass mehr als die Hälfte Angaben zur Herkunft von Fleisch aus MERCOSUR-Staaten verweigern.
- Die Standards zur Lebensmittelqualität in den südamerikanischen Ländern sind vielfach niedriger. Auch der Umweltschutz lässt zu wünschen übrig.
- Das Abkommen ist aktuell in der Schwebe, weil es nicht im Einklang mit dem 2020 verabschiedeten „Green Deal“ der EU steht.
Freihandelsabkommen sollen dem freien Handel und dem Abbau von Zöllen dienen. Doch ein niedriges Schutzniveau in einem Land könnte zum Maßstab für alle Vertragspartner werden. Betroffen davon sind meist die Arbeitsrechte, der Verbraucher- und Umweltschutz und nicht zuletzt die öffentliche Daseinsvorsorge. Zu befürchten ist, dass die Profiteure der Abkommen nicht die Bürgerinnen und Bürger, sondern die großen, weltweit agierenden Konzerne sind.
MERCOSUR – mit Südamerika
Die Abholzung des Regenwaldes und Brandrodungen für Viehfutter in Südamerika sprechen gegen dieses Freihandelsabkommen. Zudem verstößt es gegen die Klimaschutzziele der Europäischen Union, weil Fleisch über weite Strecken nach Europa importiert wird. Der in diesem Jahr geschlossene Green Deal der EU hat zum Ziel, bis 2050 die Netto-Treibhausgasemissionen auf Null zu reduzieren. Vor allem deswegen gibt es momentan in Europa viel Kritik und keine mehrheitliche Zustimmung für weitere Verhandlungen mit dem gemeinsamen Staatenbund (Argentinien, Brasilien, Paraguay, Uruguay) und Markt Südamerika (MERCOSUR). Wir haben die wichtigsten Knackpunkte in einer ausführlichen Tabelle zusammengefasst:
MERCOSUR-Fleisch im Handel? Bieten Supermärkte und Restaurants ihren Kunden trotzdem Produkte mit Fleisch aus MERCOSUR-Staaten an? Wir haben 16 Unternehmen dazu befragt. Mehr als die Hälfte machte überhaupt keine Angaben und verweigerte die Aussage. Andere Unternehmen verwiesen darauf, dass die Herkunft von Frischfleisch eindeutig und klar deklariert würde.
Dass aber auch in Lasagne, Suppen oder Rindswurst Fleisch aus Südamerika stecken kann, verschwiegen die Anbieter. Bei verarbeiteten Produkten ist eine Herkunftskennzeichnung nämlich nicht gesetzlich vorgeschrieben. Verbrauchern fehlen diese wichtigen Informationen, um sich für oder gegen ein Nahrungsmittel mit möglicherweise bedenklichem Ursprung zu entscheiden.
Unser Fazit
Im geplanten MERCOSUR-Abkommen zwischen der EU und Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay ist keine Herkunftskennzeichnung für verarbeitete Fleisch-Produkte vorgesehen. Das widerspricht den Herkunftsanforderungen im erst kürzlich beschlossenen Green Deal der EU, auf den sich die Verbraucher deshalb nicht verlassen können. Das MERCOSUR-Abkommen wird kaum in der Lage sein, Praktiken wie den Antibiotikaeinsatz als Wachstumsförderer oder die Brandrodung des Regenwaldes auszuschließen.
Britische Supermarktketten wie Tesco oder Sainsbury erwägen einen Boykott von Fleischwaren aus Brasilien, sollte das Freihandelsabkommen verabschiedet werden. Keines der von uns befragten Unternehmen wollte sich diesem Boykott in Deutschland anschließen. Das wäre jedoch eine starke Positionierung für den Klimaschutz gewesen, zumal in Fleischprodukten die Herkunft des Fleisches für Konsumenten nicht erkennbar ist.
JEFTA – mit Japan
Das Freihandelsabkommen mit Japan „Japan EU Free Trade Agreement“, kurz JEFTA, ist 2019 in Kraft getreten und hat dabei nicht nur wirtschaftliche Vorteile mit sich gebracht. Problematisch sind bis heute noch die von einander abweichenden Lebensmittelstandards, wie beispielsweise Unterschiede in der Regelung zur Kennzeichnung von gentechnisch veränderten Lebensmitteln.
CETA – mit Kanada
Bei dem Abkommen zwischen Kanada und der EU, auch genannt „Comprehensive Economic and Trade Agreement“, kurz CETA, kam es ebenfalls zu keiner einheitlichen Zustimmung der EU-Mitgliedsstaaten. Deswegen ist dieses Freihandelsabkommen auch nur „vorläufig in Kraft getreten“. Die Standards und Qualitäten von Lebensmitteln in Kanada unterscheiden sich stark von denen in der Europäischen Union. Das war letztendlich ausschlaggebend für die bis zuletzt bestehenden Unstimmigkeiten.
Fünf wichtige Kritikpunkte zu Freihandelsabkommen
1. Mangelhafter Klimaschutz: Die Zerstörung natürlicher Lebensräume, wie beispielsweise die Abholzung des Amazonas-Regenwaldes, tragen zum weltweiten Klimawandel bei. Lange Transportwege mit dem Flugzeug führen ebenfalls zu hohen Kohlendioxid-Emissionen.
2. Fehlendes Vorsorgeprinzip: Fast alle Freihandelsabkommen stehen im Zusammenhang mit einem fehlenden Vorsorgeprinzip. Was in Europa Standard ist, um die Gesundheit der Verbraucherinnen und Verbraucher zu schützen, ist in anderen Ländern Mangelware. Dort wird nicht gewährleistet, dass mit frühzeitigem und vorausschauendem Handeln Belastungen der Umwelt vorbeugend vermieden werden können. Eine kritische Stellungnahme dazu gibt es vom Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv).
3. Gentechnik und Wachstumshormone: In vielen Ländern, auch in den Mercosur-Staaten Südamerikas, sind Gentechnik und Wachstumshormone für Nutztiere erlaubt. In Europa ist das nicht der Fall.
4. Produktkennzeichnung eingeschränkt: Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) hat ein Gutachten und Positionspapier zu Verbraucherrechten in internationalen Handelsabkommen veröffentlicht. Ein Kritikpunkt ist die schlechtere Kennzeichnung von Produkten.
5. Demokratisch erworbene Standards in Gefahr: Demokratisch erworbene und hart erkämpfte Standards und Rechte in Europa wären durch den Abschluss von Freihandelsabkommen in Gefahr. Ein niedrigeres Schutzniveau könnte im schlimmsten Fall in einigen Bereichen zum Maßstab für alle werden. Betroffen wären bei JEFTA beispielsweise die Arbeitsrechte, der Verbraucher- und Umweltschutz und nicht zuletzt die öffentliche Daseinsvorsorge. Zu befürchten ist, dass die Profiteure dieser Abkommen nicht die Bürgerinnen und Bürger, sondern die weltweit agierenden Konzerne sind. Zum Thema Freihandel haben sich auch die Gewerkschaften kritisch geäußert.
Unser Tipp
Kaufen Sie regionale Produkte. Wer Lebensmittel aus der näheren Umgebung kauft, vermeidet die oft viel zu langen Transportwege, die manche Waren rund um den Globus nehmen.