Schadstoff in Konservendosen: Das sollten Sie über Bisphenol A wissen
Ein aktueller Test zeigt: Viele Lebensmittel aus Konservendosen sind mit Bisphenol A belastet. Die chemische Verbindung gilt als „besonders besorgniserregend“. Wir erklären, was es damit auf sich hat und wie Sie den Stoff im Alltag meiden können.
Das Wichtigste in Kürze
- Bisphenol A ist eine chemische Verbindung, die bei der Herstellung von Kunststoffen und Epoxidharzen verwendet wird und in vielen Produkten des täglichen Lebens zu finden ist.
- Bisphenol A wird vor allem über das Essen aufgenommen. Dabei sind Lebensmittel aus Konservendosen eine der Hauptquellen. Bei einem Test wurde in 51 von 58 überprüften Produkten BPA nachgewiesen.
- Der Stoff kann die Fruchtbarkeit beeinträchtigen und stellt aufgrund seiner hormonellen Wirkung ein Gesundheitsrisiko dar. Es wird unter anderem vermutet, dass er die Entwicklung von allergischen Lungenentzündungen und Autoimmunerkrankungen begünstigt.
- Die EU-Kommission will BPA und anderen Bisphenole in Lebensmittelkontaktmaterialien verbieten.
- Die Verbraucherzentrale gibt Tipps, wie sich die Aufnahme von Bisphenol A im Alltag reduzieren lässt.
Bisphenol A, häufig abgekürzt als BPA, ist eine chemische Verbindung, die bei der Herstellung von Kunststoffen und Harzen verwendet wird. Diese Stoffe sind in vielen Alltagsprodukten wie Wasserflaschen, Konservendosen und sogar in einigen Spielzeugen zu finden. Der Stoff ist seit Jahren weit verbreitet, doch nun gibt es zunehmend Bedenken wegen der hormonähnlichen Wirkung von BPA.
Wir haben wichtige Infos zu Bisphenol A für Sie zusammengefasst und geben Ihnen Tipps, um die Aufnahme des Stoffes im Alltag zu reduzieren.
Wo kommt Bisphenol A vor und wie gelangt der Stoff in den Körper?
Bisphenol A ist eine Schlüsselsubstanz in der Produktion von Kunststoffen wie Polycarbonat (sehr hartes, bruchsicheres und transparentes Plastik) und Epoxidharzen. Die Kunststoffe und Harze werden für viele Gegenstände des täglichen Lebens verwendet.
- Alltagsgegenstände aus Hartplastik: Trinkbecher und -flaschen, Lebensmittelbehälter, Mikrowellengeschirr, optische Datenträger (CDs, DVDs, Blu-rays), Kunstglas, Brillengläser, Gehäuse von elektrischen Geräten (z.B. Computer, Handys, Kaffeemaschinen, Wasserkocher) sowie Armaturen
- Materialien oder Gegenstände mit Epoxidharz: Innenbeschichtungen von Getränke- und Konservendosen, Weinfässern, Bodenbeläge, Klebstoffe, Lacke (als Beschichtung für Haushaltsgeräte), Verbundwerkstoffe (z.B. Surfbretter, Tennisschläger) sowie Dichtmittel in der Bauindustrie
Polycarbonat-Kunststoffe und Epoxidharze selbst sind chemisch stabil, allerdings kann Bisphenol A als Rückstand enthalten sein und daraus freigesetzt werden. Auf verschiedenen Wegen gelangt der Stoff in den menschlichen Körper, zum Beispiel, wenn er in Lebensmittel oder Getränke übergeht. Das passiert vor allem dann, wenn Bisphenol A-haltige Gegenstände oder Materialien erhitzt werden oder mit säurehaltigen Substanzen in Kontakt kommen. Bei Konservendosen beispielsweise wird BPA aus Beschichtungen und Lacken abgesondert.
Die Stiftung Warentest hat im Frühjahr 2024 in 51 von 58 Lebensmitteln aus Konservenbüchsen Bisphenol A nachgewiesen: Mit Abstand am stärksten belastet war die Naturgut-Bio-Kokosmilch von Penny und die vegane Thunfisch-Alternative von Unfished; auch in vielen Eintöpfen und Suppen wurden die Tester fündig. Tomaten und Mischgemüse aus Dosen hingegen waren weniger stark belastet; bei Kondensmilch gab es bezüglich des problematischen Stoffes erfreulicherweise gar keine Beanstandungen. Das deckt sich mit den Untersuchungsergebnissen des CVUA Stuttgart.
Im Rahmen eines europaweiten Screenings auf Schadstoffbelastungen wurde BPA praktisch in allen untersuchten Personen gefunden, teils in Mengen weit oberhalb aller Grenzwerte.
Gut zu wissen
Der Buchstabe verrät es schon: Bisphenol A ist nur eines von vielen Bisphenolen, die sich in ihrer chemischen Zusammensetzung teilweise bloß geringfügig unterscheiden. Das macht sich die Industrie zunutze und setzt als Ersatzstoffe beispielsweise auf Bisphenol F oder S. Diese Stoffe bringen ähnliche Vorteile, wirken sich hormonell jedoch ebenso auf den Menschen aus. Auf den Hinweis „BPA-frei“ sollten Sie daher nicht zu sehr vertrauen.
Die Risiken von Ersatzstoffen für Bisphenol A sind noch weniger erforscht als BPA selbst. Das Umweltbundesamt hat 44 mögliche Ersatzstoffe untersucht und kann 43 davon aufgrund ähnlicher hormonaktiver Wirkung oder einer unvollständigen Datenlage nicht empfehlen.
Warum ist Bisphenol A bedenklich und welche Grenzwerte gelten?
„Besonders besorgniserregend“ ist BPA vor allem aufgrund seiner hormonellen Wirkung. Es wird vermutet, dass der Stoff die Wirkung von Östrogen im Körper nachahmen und/oder stören kann. Gleichzeitig wird angenommen, dass Bisphenol A bestimmte Immunmechanismen im Körper verändert und sich dadurch allergische Lungenentzündungen und Autoimmunerkrankungen entwickeln. Zudem gibt es Hinweise darauf, dass BPA das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und Fettleibigkeit erhöht.
Es ist allerdings unklar, ab welcher Menge die Aufnahme von BPA schädlich ist. Belastete Produkte einmal zu essen, ist bestimmt kein Problem, über einen längeren Zeitraum aber vermutlich schon. Die Behörden haben die von Bisphenol A ausgehende Gefahr lange unterschätzt und auch jetzt herrscht noch keine Einigkeit.
Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) hat im April 2023 den Grenzwert für die tolerierbare tägliche Aufnahmemenge (Tolerable Daily Intake – TDI) an Bisphenol A drastisch gesenkt: von 4 Mikrogramm auf nur noch 0,2 Nanogramm pro Kilogramm Körpergewicht und Tag. Dieser Wert ist etwa 20.000-mal niedriger als der davor gültige Wert von 4 Mikrogramm. 2007 galt sogar noch ein Wert von 50 Mikrogramm.
Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hingegen hält den Efsa-Grenzwert für zu streng, das BfR empfiehlt einen Grenzwert von 200 Nanogramm pro Kilogramm Körpergewicht und Tag, also einen Wert, der um das 1.000-Fache höher liegt als der TDI der Efsa.
Wir meinen: Diese unterschiedlichen Angaben sind für Verbraucherinnen und Verbraucher keine Hilfe. In der Wissenschaft ist es üblich, dass Uneinigkeit über bestimmte Sachverhalte herrscht, aber in dieser Form stellen die Grenzwerte keinen Nutzen dar. Es muss daher zügig einen gemeinsamen Grenzwert – möglichst für die gesamte Stoffgruppe der Bisphenole – geben.
Wie sind die gesetzlichen Regelungen zu Bisphenol A?
In der Europäischen Union gibt es keine Kennzeichnungspflicht für BPA-haltige Produkte. Allerdings sind seit 2011 europaweit Babyfläschchen aus Polycarbonat verboten. Frankreich hat darüber hinaus im Januar 2015 Bisphenol A in Lebensmittelverpackungen verboten. Die EU-Kommission plant nun auch ein europaweites Verbot von BPA und anderen Bisphenolen in Lebensmittelkontaktmaterialien. Außerdem ist Bisphenol A seit 2016 ab einer gewissen Konzentration nicht mehr in Thermopapieren erlaubt, wie zum Beispiel Kassenzetteln, Parktickets oder Paketaufkleber.
Unser Rat
Bisphenol A wird vor allem durch Lebensmittel aufgenommen. Wenn Sie die Aufnahme des Stoffes verringern möchten, sollten Sie daher an dieser Stelle ansetzen.
- Kochen Sie möglichst oft frisch und verwenden Sie nur selten Konserven aus Dosen. Bei BPA stellt die Häufigkeit und die Dauer das Problem dar. Je weniger Lebensmittel aus Dosen bzw. Büchsen Sie verzehren, desto besser.
- Tiefkühlware und Glaskonserven können einen Alternative sein. Auch in Tetrapacks (Verbundkartons) verkaufte Lebensmittel wie Kokosmilch und Tomaten sind eine gute Option.
- Reduzieren Sie den Einsatz von Kunststoff in der Küche. Greifen Sie zu Glas und Edelstahl. Verwenden Sie lieber kein mikrowellengeeignetes Kunststoffgeschirr. Wenn es trotzdem Kunststoff sein soll, dann nutzen Sie Alternativen wie zum Beispiel Polyethylen (PE) oder Polypropylen (PP). Achten Sie beim Kauf von Kunststoffutensilien auf den Hinweis „Bisphenol-frei“ („BPA-frei“ ist nicht ausreichend!).
- Trinken Sie Leitungswasser grundsätzlich lieber kalt. Warmwasser kann, wenn es aus mit Epoxidharz sanierten Leitungen (was selten vorkommt) stammt, mit BPA belastet sein. Auch andere Schadstoffe aus den Leitungen wie Schwermetalle können in heißes Wasser leichter übergehen, vor allem wenn es länger in den Rohren verbleibt.