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Mikrokredite in Entwicklungsländern – ist die soziale Geldanlage sinnvoll?

„Mit Mikrokrediten konnte C. einen Laden in Lagos eröffnen. Mit den Einnahmen kann die alleinerziehende Witwe die Schulbildung ihrer Kinder bezahlen“ – so und ähnlich wird für Geldanlagen im Sektor Mikrofinanz geworben. Doch wir raten, bei solchen Investitionen sehr genau hinzuschauen.

Junge afrikanische Frau in Töpferladen

Das Wichtigste in Kürze

  1. Anbieter von Mikrofinanz werben mit der sozialen Wirkung der Geldanlage – doch nicht immer sind die Folgen für Kreditnehmende positiv.
  2. Anlegerinnen und Anleger tragen reale finanzielle Risiken – Kursverluste und ausbleibende Dividenden sind möglich.
  3. Mikrokredite können verschulden statt helfen – vor allem, wenn sie nicht verantwortungsvoll vergeben werden.
Stand: 05.06.2025

Investitionen in Mikrofinanzierung (oft als „MFI“ abgekürzt, was für „Mikrofinanzinstitutionen“ steht) werden oft als Geldanlage zur Armutsbekämpfung dargestellt. Das Geschäft mit der einkommensschwachen Bevölkerung in Entwicklungsländern hat ein positives Image, weil die „Hilfe zur Selbsthilfe“ als sinnvolle Geldanlage erscheint. Als Anlegerin oder Anleger sollten Sie jedoch genau hinschauen, wem Sie Ihr Geld anvertrauen und prüfen, ob Ihre Vorstellung einer sozialen Wirkung damit wirklich erreicht wird.

Was sind Mikrokredite überhaupt?

Mikrofinanzierung ist eine in Entwicklungs- und Schwellenländern angebotene Form der Kreditierung von armen Menschen und Kleinstbetrieben mit vergleichsweise kleinen Beträgen. Die Besitzlosen gelten den Banken als nicht kreditwürdig, weil sie keine Sicherheiten bieten können oder weil die Bearbeitung kleiner Kredite oder auch das Verwalten von Sparkonten in entlegenen Dörfern nicht profitabel ist. Über Mikrokredite erhalten diese Menschen und Unternehmen Kapital und Zugang zum Finanzsystem.

Wie funktioniert Mikrofinanz als Geldanlage?

Das für die Mikrokredite benötigte Geld wird auf verschiedenen Wegen unter anderem auch bei Privatanlegern und -anlegerinnen akquiriert. Die Geldanlage kann zum Beispiel erfolgen:

  • über den Kauf von Investmentfondsanteilen (Mikrofinanzfonds) oder 
  • über den treuhänderischen Erwerb von Anteilen an einer Genossenschaft.

Mikrofinanzfonds sammeln Geld von Privatpersonen ein, um über Mikrofinanzorganisationen vor Ort Mikrokredite zur Verfügung zu stellen. Wer Anteile an einem Mikrofinanzfonds kauft, hat in der Regel Anspruch auf eine jährliche Dividende bzw. Ausschüttung. Ein Verkauf der Fondsanteile ist zum Kurswert möglich.

Beim Erwerb von Genossenschaftsanteilen an einer Mikrofinanzorganisation (z.B. Oikocredit) treten Sie einem sogenannten Förderverein bei. Auch hier haben Sie Anspruch auf eine regelmäßige Dividendenzahlung.

Wichtig: In beiden Fällen fließt das Geld nicht direkt an Einzelpersonen, sondern an Mikrofinanzinstitute vor Ort. Diese kreditieren mit dem Geld zum Beispiel den Tischler aus einem Dorf in Bolivien, der seine Produktion ausweiten will oder eine Genossenschaft aus den peruanischen Bergen, die ihren Alpakabauern faire Preise zahlt.

Gut zu wissen

Wenn Sie mit einer Geldanlage im Sektor Mikrofinanz liebäugeln, sollten Sie sich zunächst in jedem Fall mit zwei Fragen beschäftigen: 

  • Entsprechen Laufzeit, Rendite und Risiko meinen Wünschen? 
  • Teile ich den Ansatz einer Kreditvergabe an ärmere Menschen als Beitrag zu einer gerechteren Welt?

Mikrokredite – eine Anlage ohne Risiko?

Zwar werben viele Anbieter mit der Stabilität ihrer Mikrofinanzprodukte – insbesondere im Vergleich zu den Schwankungen an den Finanzmärkten –, doch auch Mikrokredite bergen Risiken. Fondsanteile können im Wert sinken, etwa wenn die Erträge der Mikrofinanzinstitute nicht ausreichen oder wenn Verwaltungskosten und Währungsverluste die Bilanz belasten. Auch die Dividenden sind nicht garantiert und können deutlich geringer ausfallen als erhofft – oder ganz ausbleiben.

Noch unsicherer ist die Rückzahlung bei Genossenschaftsanteilen. Hier erhalten Anlegerinnen und Anleger bei Kündigung oft nur den Bilanzwert zurück, der unter dem ursprünglich eingezahlten Betrag liegen kann. Hinzu kommt, dass einzelne Anbieter in der Vergangenheit in der Kritik standen, etwa weil sie in Regionen mit bereits hoher Verschuldung weiterhin Kredite vergaben – trotz öffentlicher Warnungen durch lokale NGOs.

Die Renditen für Mikrofinanzfonds und andere Investitionsformen bei Mikrofinanz sind mäßig. Ob dies auf die Kosten für Einrichtung, Management und Verwaltung, auf die Absicherung von Währungsrisiken oder auf das allgemein niedrige Zinsniveau zurückzuführen ist, lässt sich für die Außenstehenden kaum beurteilen. Sicher ist jedenfalls, dass die Zinsen für die Mikrokredite sehr hoch sind, durchschnittlich 35 (!) Prozent werden von den Kleinstkreditnehmern und -nehmerinnen verlangt.

Mikrokredite – zwischen Hoffnung und Realität

Anbieter begründen die hohen Zinssätze für Mikrokredite mit den zusätzlichen Kosten vor Ort – etwa für Beratung, Verwaltung oder die Absicherung von Währungsrisiken. Dennoch bleibt die Frage: Ist eine so teure Verschuldung wirklich ein Weg aus der Armut?

Kritiker warnen davor, dass sich Mikrokredite zunehmend als Geschäftsmodell für Banken und Kredithaie entwickeln – und weniger als solidarische Entwicklungsmaßnahme. In einigen Fällen kommt es sogar vor, dass Kinder zur Arbeit geschickt werden, um Schulden zu tilgen, oder dass familiäre Netzwerke auseinanderbrechen, weil Rückzahlungspflichten alles andere überlagern. Besonders problematisch ist, dass oft Frauen die Hauptzielgruppe der Kredite sind – nicht weil sie besonders förderwürdig sind, sondern weil sie als verlässlichere Rückzahlerinnen gelten. Das kann ihre ökonomische Abhängigkeit sogar noch verstärken.

Trotz aller Kritik gibt es auch viele positive Beispiele. Einige Kreditnehmende konnten mit einem Mikrokredit die Grundlage für ein stabiles Einkommen schaffen, ihre Kinder zur Schule schicken oder medizinische Versorgung bezahlen. Wichtig ist dabei jedoch, dass die Kreditvergabe verantwortungsvoll erfolgt – idealerweise begleitet von Schulungen zur Finanzplanung oder betriebswirtschaftlicher Beratung.

Entscheidend ist: Mikrokredite können helfen – sie müssen aber gut gestaltet, kritisch überwacht und auf die persönlichen Umstände und Nöte der Einzelnen zugeschnitten sein. Wo das fehlt, entsteht nicht Unabhängigkeit, sondern neue Abhängigkeit.

Unser Angebot

Mikrofinanz ist kein Selbstläufer. Wer investieren möchte, sollte sich bewusst mit den Chancen und Risiken auseinandersetzen. Eine hohe soziale Wirkung ist nicht garantiert – und die finanzielle Sicherheit ebenfalls nicht. Die oft hohen Zinssätze werfen zudem ethische Fragen auf. Klar ist: Nicht jede als „sozial“ beworbene Anlage hält, was sie verspricht.

Sie haben noch Fragen zu Mikrokrediten oder anderen nachhaltigen Geldanlagen? Unsere Expertinnen und Experten unterstützen und beraten Sie. ⇒ Jetzt Beratungstermin buchen

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