Patientenakte: ePA bei chronischer Krankheit, Depression oder im Krankengeldbezug nutzen?
Die elektronische Patientenakte (ePA) kommt: Ab dem 29. April können für gesetzlich Versicherte in Deutschland medizinische Informationen schrittweise in einer digitalen Akte gebündelt werden. Gerade für Menschen mit chronischen Erkrankungen, psychischen Belastungen oder im Krankengeldbezug kann die ePA eine große Hilfe sein – bringt aber auch besondere Herausforderungen mit sich. Das sollten Betroffene wissen.

Das Wichtigste in Kürze
- Die elektronische Patientenakte (ePA) füllt sich mit medizinischen Daten, sobald Ärzte und Ärztinnen, Krankenhäuser, Zahnarztpraxen oder Apotheken diese einstellen. Ab 29. April 2025 ist die Nutzung der ePA bundesweit möglich. Spätestens ab dem 1. Oktober 2025 sind Arztpraxen und Krankenhäuser verpflichtet, Informationen in die Akte einzustellen.
- Ohne eigene Einstellungen können alle genannten Leistungserbringer umfassend auf die Daten von Versicherten zugreifen, auch auf sensible Informationen. Einzelne Dokumente lassen sich nicht gezielt sperren.
- Die Krankenkasse und der Medizinische Dienst (MD) haben keinen Zugriff auf die Informationen in der ePA.
Für alle gesetzlich versicherten Personen wurde von den Krankenkassen eine elektronische Patientenakte (ePA) eingerichtet. Jede ePA ist zunächst eine leere Akte und wird im Laufe der Zeit mit medizinischen Informationen befüllt.
Welche Informationen landen in der ePA?
- Ärztliche Befunde und Diagnosen
- Therapien und Medikationslisten
- Elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen (eAU) mit Diagnosen (nur auf Verlangen des Patienten / der Patientin)
Wichtig: Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen werden nicht gelöscht. Sie selbst, aber auch andere berechtigte Personen können Ihre Arbeitsunfähigkeitszeiten und deren Gründe dauerhaft einsehen. Bei Ihrer Krankenkasse hingegen werden die Bescheinigungen nach dem Ablauf bestimmter Fristen wieder aus dem System entfernt.
ePA und Behandlungsdokumentation Ihres Arztes oder Ihrer Ärztin laufen quasi parallel nebeneinander. Die ePA ist Ihre versichertengeführte Akte: Der Arzt bzw. die Ärztin kann und wird sich nicht darauf verlassen, dass dort alles gespeichert ist. Es ist auch nicht zu erkennen, ob und welche Daten Sie gelöscht oder vor dem Zugriff verborgen haben. Ärzte haben aber die Möglichkeit, Daten aus der ePA herunterzuladen und in ihrer Behandlungsdokumentation zu speichern. Sie bleiben dort erhalten, auch wenn Sie selbst diese später einmal aus der ePA löschen sollten.
Wann werden medizinische Daten in der ePA gespeichert?
Ihre elektronische Patientenakte wird schrittweise mit medizinischen Informationen gefüllt. In der Regel reicht es, wenn Ihre Arztpraxis Sie mit einem Hinweiszettel am Empfangstresen über die Speicherung der Daten informiert. Nicht alle medizinischen Daten sind gleich sensibel. Das Gesetz unterscheidet zwischen normalen und besonders schützenswerten Informationen:
- Normale medizinische Daten können einfach eingestellt werden. Ein ausdrückliches Einverständnis Ihrerseits ist nicht notwendig (es reicht ein Hinweiszettel am Empfangstresen). Selbst Daten zu vielen chronischen Erkrankungen wie Multiple Sklerose, Morbus Parkinson, Colitis ulcerosa, Rheuma, Morbus Crohn werden nicht ausdrücklich geschützt; sie werden wie herkömmliche Befunde behandelt.
- Besonders sensible Daten – also Informationen, die ein erhöhtes Risiko für Stigmatisierung oder Diskriminierung bergen – dürfen nur nach vorheriger Aufklärung über Ihr Widerspruchsrecht eingestellt werden (§§ 347, 348 SGB V). Dazu gehören beispielsweise: psychische Erkrankungen (z. B. Depressionen, Angststörungen), sexuell übertragbare Infektionen (z. B. HIV, Syphilis) und Schwangerschaftsabbrüche. Es gibt jedoch keinen Katalog, bei welchen Erkrankungen Sie über Ihr Widerspruchsrecht aufgeklärt werden müssen.
Achtung, über Ihr Widerspruchsrecht kann man Sie auch nur mit einem einfachen Hinweiszettel am Empfangstresen der Praxis informieren. Widersprechen Sie der Speicherung, muss Ihr Widerspruch in der Patientenakte dokumentiert werden.
- Genetische Daten – sollen Daten aus genetischen Untersuchungen oder Analysen in die ePA eingestellt werden, benötigen Ärztinnen und Ärzte Ihr ausdrückliches schriftliches Einverständnis.
Wo können sensible Daten in der ePA sichtbar werden?
Sensible Informationen können an verschiedenen Stellen innerhalb der ePA erscheinen:
- in Befunden und Diagnosen der behandelnden Praxis,
- in Entlassbriefen von Krankenhäusern,
- in Medikationsübersichten (zum Beispiel Hinweise auf die Behandlung psychischer Erkrankungen oder Infektionen),
Sogar die Abrechnungsdaten Ihrer Krankenkasse lassen Rückschlüsse zu.
Wichtig: Wenn Sie also bestimmte Diagnosen verbergen wollen, müssen Sie beachten, dass diese an verschiedenen Stellen in der ePA sichtbar werden können.
Wer kann auf meine ePA zugreifen?
Ärztinnen und Ärzte und deren Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sowie Zahnarztpraxen, aber auch Pflegedienste oder Apotheken können auf die Informationen in Ihrer ePA zugreifen, wenn Sie Ihre elektronische Gesundheitskarte einlesen lassen – im Regelfall für 90 Tage. Apotheken erhalten nur für drei Tage Zugriff. Der Zugriff umfasst grundsätzlich alle eingestellten Dokumente – unabhängig davon, von wem sie stammen oder wie alt sie sind.
Nur der Zugriffszeitraum lässt sich individuell einstellen: Sie können den Zugriff auf die ePA für einzelne Leistungserbringer komplett sperren, die Zugriffszeit tageweise beschränken oder unbegrenzten Zugriff gewähren. In jedem neuen Behandlungskontext – also beim Einlesen Ihrer Karte – wird der Zugriffszeitraum wieder auf den Standard gestellt.
Übrigens: Betriebsärztinnen und -ärzte brauchen vor Ort Ihre Erlaubnis, auf die ePA zugreifen zu dürfen. Die Erlaubnis gilt standardisiert für 3 Tage. Erlauben Sie den Zugriff, kann Ihr Betriebsarzt oder Ihre Betriebsärztin nicht nur Daten lesen, die für Ihre Arbeit von Bedeutung sind, sondern generell umfassend Ihre komplette Akte einsehen – es sei denn, Sie haben entsprechende Voreinstellungen vorgenommen.
Die Zugriffe werden protokolliert. Sie können über Ihre ePA nachvollziehen, wer wann darauf zugegriffen hat. Sie können die Zugriffe jedoch nicht einzelnen Personen zuordnen, sondern nur einer Gesundheitseinrichtung insgesamt.
Gut zu wissen
Eine gezielte Freigabe einzelner Dokumente innerhalb der ePA ist derzeit nicht möglich. Die ursprünglich in der Vorgängerversion vorhandene sogenannte Feingranularität – also die Möglichkeit, genau zu steuern, wer welche Informationen sehen darf – wurde wieder gestrichen.
Das bedeutet: Wer Zugriff auf Ihre ePA erhält, kann alle eingestellten Dokumente einsehen, die Sie nicht gelöscht oder aktiv verborgen haben – unabhängig davon, ob diese für die jeweilige Behandlung relevant sind. Eine selektive Freigabe ist nicht vorgesehen.
Ein Beispiel: Sie können Ihrem Zahnarzt nicht nur Ihre zahnmedizinischen Befunde freigeben. Er sieht automatisch auch andere medizinische Informationen, etwa zu psychischen Erkrankungen oder internistischen Behandlungen, die nur Ihr Haus- oder Facharzt sehen sollte, sofern diese in der ePA gespeichert sind.
Wichtig: Wenn Sie bestimmte Dokumente verbergen möchten, müssen Sie diese vollständig ausblenden. Dann sind diese Informationen für alle Behandelnden unsichtbar – also sowohl für Ihren Zahnarzt aber auch für Ihren Haus- oder Facharzt, dem Sie diese Informationen vielleicht zukommen lassen möchten.
Wie kann ich Daten sperren?
Die ePA arbeitet nach dem Prinzip „alles für alle“. Wer Zugriff hat, sieht alle Inhalte. Das bedeutet konkret: Ihre psychische Erkrankung oder medikamentöse Behandlung (z. B. mit Antidepressiva) ist für alle zugriffsberechtigten Personen sichtbar – also auch für Ihre Zahnärztin oder Ihren Orthopäden. Wenn Sie dies nicht möchten, müssen Sie entweder:
- bereits in der Praxis dem Einstellen von Daten widersprechen,
- den Zugriff auf die gesamte ePA für bestimmte Leistungserbringer sperren (vor dem Besuch),
- ausgewählte Bereiche wie die Medikationsliste oder Abrechnungsdaten sperren
- oder einzelne Dokumente gezielt verbergen oder löschen.
Gut zu wissen
Der Zugriff auf die ePA darf laut § 335 SGB V nicht von Ihnen verlangt werden. Versicherungen und zum Beispiel auch Ihr Arbeitgeber, die ein Interesse an Ihren Gesundheitsdaten haben könnten, dürfen nicht einmal mit Ihnen vereinbaren, dass sie auf Ihre elektronische Patientenakte zugreifen dürfen. Dieses Verbot soll Sie vor Abhängigkeitsverhältnissen schützen.
Kann ich auch selbst Daten in die ePA einstellen?
Ja. Sobald die ePA vollständig verfügbar ist, können Sie selbst Dokumente hochladen. Dies kann für chronisch kranke Menschen mit einer langen Krankengeschichte sinnvoll sein, wenn sie ältere Befunde sichern möchten. Falls Sie Unterstützung brauchen, können Ihnen die Ombudsstellen der Krankenkassen helfen.
Bestimmte „Wunsch-Daten“ können Sie auch über Ihre Praxis einstellen lassen: eAU-Bescheinigungen (Kopie für Patientinnen und Patienten), Daten zu Erklärungen über Organspende, Vorsorgevollmachten und Patientenverfügungen und eine Kopie der Behandlungsdokumentation. Diese Funktionen sind allerdings in der Anfangsphase wahrscheinlich noch nicht verfügbar.
Wer kann nicht auf meine ePA zugreifen?
- Ihre Krankenkasse hat kein Leserecht – sie stellt Abrechnungsdaten ein, darf aber in Ihrer ePA nicht lesen.
- Auch der Medizinische Dienst (MD) darf nicht auf Ihre ePA zugreifen – selbst dann nicht, wenn er Sie im Auftrag der Krankenkasse begutachtet.
Der MD Nord übernimmt im Auftrag der gesetzlichen Krankenkassen in Hamburg und Schleswig-Holstein medizinische Begutachtungen und Beratungen. Dazu gehört auch die Prüfung, ob jemand arbeitsunfähig ist. Denn die Krankenkassen selbst können das nicht beurteilen und sind auf die fachliche Einschätzung des MD angewiesen.
Unser Rat
- Informieren Sie sich vorab: Besonders bei sensiblen Diagnosen (z. B. Depression, chronische Schmerzen oder andere psychische Erkrankungen) ist es wichtig zu wissen, wer auf welche Daten zugreifen kann.
- Nutzen Sie Ihre Rechte: Sie können den Zugriff auf Ihre ePA einschränken oder pausieren – zum Beispiel für bestimmte Leistungserbringer oder für bestimmte Zeiträume. Nur so können Sie Ihre Daten gezielt schützen.
- Behalten Sie den Überblick: Nutzen Sie die App Ihrer Krankenkasse, um regelmäßig zu prüfen, was gespeichert wurde – und von wem. Falls Sie keine Apps nutzen können, gibt es alternative Wege, zum Beispiel über die Ombudsstelle. Mehr darüber lesen Sie in unserem Artikel → Elektronische Patientenakte ohne ePA-App nutzen.
- Legen Sie eigene Dokumente ab: Falls Sie lange oder komplex erkrankt sind, kann es helfen, eigene Unterlagen wie Arztbriefe oder Reha-Berichte in der ePA zu speichern, um Ihre Krankheitsgeschichte zu dokumentieren. Achten Sie jedoch darauf, wer Zugriff hat – besonders bei sensiblen Daten – und stellen Sie nur das ein, was wirklich nötig ist.
- Holen Sie sich Unterstützung: Wenn Sie unsicher sind, wie Sie mit der ePA umgehen sollen, wenden Sie sich an unsere Patientenberatung. Unsere Juristinnen und Juristen beraten Sie unabhängig.