Lebensmittel mit Klimabonus?
Gemüselasagne statt Rinderroulade? Oder lieber die Rinderroulade mit dem Aufdruck „klimaneutral“? Rund die Hälfte der ernährungsbedingten Treibhausgas-Emissionen ließen sich einsparen, wenn wir weniger tierische Produkte essen würden. Auch das Label „Klimaneutral“ auf einigen Produkten verhindert keine Emissionen. Die Einführung eines transparenten und einfach verständlichen Klimalabels würde Konsumentinnen und Konsumenten helfen. Auf EU-Ebene tut sich etwas.
Das Wichtigste in Kürze
- Vielen Klimalabeln auf Verpackungen von Lebensmitteln mangelt es an Klarheit und Transparenz. Das zeigen Untersuchungen der Verbraucherzentralen.
- Die getroffenen Aussagen der Unternehmen zu Klimaschutzmaßnahmen sind meist zu abstrakt und unkonkret, manchmal sogar irreführend. Mittlerweile gibt es Gerichtsurteile zu dem Thema und auf EU-Ebene wird eine neue Richtlinie gegen Greenwashing erarbeitet.
- Die Verbraucherzentrale Hamburg macht sich für die Einführung eines verpflichtenden, unabhängig kontrollierten und transparenten Klimalabels stark.
Insgesamt verursacht jede bzw. jeder von uns pro Jahr ca. 11 Tonnen Treibhausgasemissionen, ein Fünftel davon grob kalkuliert nur durch seine Ernährung. Durch unser Kauf- und Ernährungsverhalten können wir direkten Einfluss auf die Menge der Emissionen nehmen.
Vegane Alternativen zu Fleisch-, Wurst-, und Milchprodukten sowie ein großer Anteil Gemüse oder Obst auf dem Teller verbessern die CO2-Bilanz deutlich. Der Ökolandbau in der Region lässt Transportwege schrumpfen und verzichtet beispielsweise auf energieintensiven Stickstoffdünger. Saisonales Obst und Gemüse muss nicht mit hohem Energieaufwand in Treibhäusern heranwachsen und auch bei der Verarbeitung, Kühlung und Verpackung lässt sich Energie sparen. Es ist also kein Wunder, dass für immer mehr Menschen auch beim Einkauf von Lebensmitteln der Klimaschutz eine zunehmend wichtigere Rolle spielt.
Welche Klimalabel gibt es?
Mit speziellen Klimalabeln auf ihren Produkten will die Lebensmittelbranche ihr Engagement in Sachen Klimaschutz sichtbar machen und gleichzeitig ein Verkaufsargument liefern. Doch die derzeitigen Label sind unserer Auffassung nach meistens unzureichend, wenig aussagekräftig und manchmal sogar irreführend. Eine Hilfe beim Einkauf klimafreundlicher Lebensmittel sind sie nur sehr selten. Aktuell gibt es verschiedene Arten von Klimalabeln:
- Kompensationslabel loben die Klimaneutralität von Unternehmen oder Produkten aus. Achtung, Klimaneutralität heißt nicht, dass ein Unternehmen keine CO2-Emissionen ausstößt. Das Label belegt lediglich, dass der Anbieter seine Treibhausgasemissionen ermittelt und diese mit Hilfe sogenannter Kompensationsprojekte ausgleicht. Typische Projekte sind der Schutz von Wäldern, der Ausbau von erneuerbaren Energien oder das Pflanzen von Bäumen im globalen Süden. Auch eine Kennzeichnung als klimapositiv durch Kompensationslabel ist möglich. Unternehmen, die dieses Label nutzen, kompensieren mehr Kohlendioxid als sie ausstoßen. Inwiefern die Projekte das Klima effektiv schützen, muss im Einzelfall bewertet werden. Viele der Projekte werden kritisch gesehen, da der tatsächliche Effekt in viele Fällen begründet angezweifelt wird. Ein Beispiel hat die Organisation Foodwatch genauer untersucht.
- Neben den Kompensationslabeln gibt es Kennzeichnungen, die angeben, wie viele Kilogramm Treibhausgase bei der Herstellung eines Produkts angefallen sind. Basierend auf dieser Information können Verbraucherinnen und Verbraucher Produkte miteinander vergleichen und sich für eine klimafreundliche Variante entscheiden. Für den Vergleich muss man jedoch die Vergleichswerte anderer Produkte kennen. Insofern wäre eine Kennzeichnung, die sowohl den absoluten Wert angibt, als auch diesen in einer intuitiv verständlichen Skala in Ampelfarben einordnet eine relevante Hilfe beim Einkauf.
Gut zu wissen
Wie ein effektives Klimalabel auf Lebensmitteln aussehen könnte, haben Prof. Dr. Achim Spiller (Lehrstuhl Marketing für Lebensmittel und Agrarprodukte, Universität Göttingen) und Dr. Anke Zühlsdorf (Zühlsdorf + Partner, Agentur für Verbraucherforschung und Lebensmittelmarketing) erforscht. Das Label sollte folgende Kriterien erfüllen:
- Verpflichtend: Sodass sich kein Hersteller aus der Verantwortung stehlen kann.
- Staatlich: Damit der Staat effektiv die Überwachung übernehmen kann und Regulierungen möglichst objektiv gestaltet werden.
- Zunächst im Wesentlichen auf Durchschnittswerten basierend: Um eine einfache und schnelle Umsetzbarkeit zu begünstigen.
- Mehrstufig und interpretativ (z.B. im Ampelfarben): Sodass der Vergleich für Verbraucherinnen und Verbraucher möglichst leicht fällt.
Klimalabel – sind sie reguliert?
Nach einer Unterschriftenkampagne des schwedischen Unternehmens Oatly hat sich der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestags im September 2020 mit dem Thema Klimalabel beschäftigt. Der Vorschlag, ein verpflichtendes Klimalabel auf Lebensmitteln einzuführen, wurde jedoch abgelehnt. Im neuen Koalitionsvertrag zwischen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP ist festgehalten: „Wir unterstützen die Entwicklung von Kriterien für einen ökologischen Fußabdruck.“
Nur weil das Thema derzeit noch unreguliert ist, heißt nicht, dass alles erlaubt ist. Grundsätzlich dürfen Angaben auf Produkte nicht über deren Qualität hinwegtäuschen. Daher gibt es mittlerweile mehrere Gerichtsurteile gegen Unternehmen, die nicht eindeutig genug benannt haben, dass die beworbene „Klimaneutralität“ nicht durch eine emissionsfreie Arbeitsweise, sondern nur rechnerisch durch Kompensationsprojekte erreicht wurde.
Auf EU-Ebene kommt mittlerweile Bewegung in die Sache: Die EU-Kommission hat im Frühjahr 2023 einen Vorschlag für eine Richtlinie eingereicht, die strengere Anforderungen an die Werbung mit Klima- und Umweltaussagen stellt. Damit soll mehr Transparenz für Verbraucherinnen und Verbraucher hergestellt werden. Gleichzeitig sollen diejenigen Anbieter, die nachhaltig produzieren, vor unfairen Wettbewerbern geschützt werden. Ginge es nach der EU-Kommission müssten Aussagen wie „klimaneutral“ in Zukunft klarer belegt werden, wenn man mit ihnen wirbt.
Unser Fazit
Da für Verbraucherinnen und Verbraucher eine realistische Einschätzung der Klimabilanz von Lebensmitteln kaum möglich ist, sollten Angaben zum Klimaschutz nicht nur trendige Extras auf der Verpackung sein! Es sind wichtige Botschaften, die man nicht als reines Marketinginstrument missbrauchen darf. Die Kommunikation zu allen Nachhaltigkeitskriterien muss deshalb verlässlich, verbindlich und verständlich für Konsumenten sein.
Wir sehen an dieser Stelle in erster Linie den Gesetzgeber in der Pflicht: Er muss sicherstellen, dass die mit dem Label beworbenen Vertrauenseigenschaften halten, was sie versprechen. Dafür müssen nicht nur der Name des Zertifizierers, sondern auch die für das Klimalabel angelegten Kriterien offengelegt werden. Darüber hinaus sollte es aus unserer Sicht eine neutrale oder gar staatliche Kontrollinstanz geben.